Quer durch Oberösterreich, Leseheft
6 Sagenhaftes DerWagnerloisl war ein Räuberhauptmann, jung, stark, frech und immer dazu aufgelegt, einem Gutsherrn, der seine Untertanen plagte oder sonst einem der armen Leute Schlimmes antat, einen Streich zu spielen. Einmal klopfte er in der Gegend von Kefer markt amHaus eines Bauern und bat um ein Nachtlager. Die meisten Bauern kannten ihn und versteckten ihn, wenn Häscher 1 ihm auf den Fersen waren. „Komm nur herein, Lois“, sagte die Bäuerin. „Mein Mann ist grad heimgekommen, ganz unglücklich, weil er sich nirgends den Pacht schilling hat ausleihen können. Er hat sich vor Kummer schon schlafen gelegt. Denn wenn wir das Geld dem Herrn nicht in drei Tagen bringen, wirft er die ganze Familie in den Schuldturm.“ „Lass ihn schön grüßen, deinenMann“, sagte derWagnerloisl und aß das Nachtessen, das die Bäuerin ihm hinstellte. „Wie viel macht er denn aus, der Pachtschilling?“ Der Räuberhauptmann Wagnerloisl Die Bäuerin nannte die Summe und sagte: „Ich glaub, ich werd jetzt packen für den Schuldturm!“ „Wart noch damit“, sagte derWagnerloisl. Er griff in seinen Gurt, zog den Geldbeutel heraus und sagte: „Ein bissel was hab ich immer bei mir für solche Notfälle“, und legte der Bäuerin das Geld, das sie brauchte, auf den Tisch. „So“, sagte er, „das bringst du gleich morgen Früh dem Herrn. Und wenn er fragt, woher du auf einmal so viel Geld hast, dann sag ihm, derWagnerloisl hat’s dir gegeben. Und wenn er fragt, wo du glaubst, dass ich bin, dann sag ihm, ich bin im Brandstätterholz. Ich glaub, du brauchst mir doch heut kein Bett richten, Bäuerin, ich geh lieber gleich!“ Und dann ging er. 1 Häscher: Gerichtsdiener 5 10 15 20 25 30 35 40 Schuldturm Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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