Quer durch Oberösterreich, Leseheft

22 Märchenhaftes Es lebten einmal ein Bauer und seine Frau, die waren reich an Kindern, aber sonst hatten sie nicht viel. Immer wieder ging es eng zusammen, sodass sie gerade zu wenig zum Leben, jedoch zu viel zum Sterben hatten. Als es erneut soweit war, hieb der Bauer mit der Faust auf den Tisch und rief in seiner Verzweiflung: „Wenn uns der Himmel nicht helfen will, dann kann dies nur noch der Teufel tun!“ Nun, der Teufel lässt sich das kein zweites Mal sagen, und so stand er, kaum hatte der Bauer ausgesprochen, auch schon vor ihm, mit einem kecken grünen Hut samt roter Hahnenfeder auf demKopf und einem Jäger­ wams am Leib. „Wie kann ich dir helfen?“, fragte der Teufel freundlich. Der Bauer er­ schrak, denn er wusste genau, wen er da vor sich hatte, aber er war auch am Ende seiner Weisheit angelangt, und so sprach er: „Du weißt genau, was uns fehlt! Ein gutes Stück Land, das wir bebauen undmit demwir unsere Familie ernähren können.“ „Nun, wenn’s weiter nichts ist“, lächelte der Teufel, griff in seine Tasche und holte einen Beutel voller Goldstücke heraus. „Damit kannst du dir das beste Stück Land kaufen, es bestellen und abernten. Doch, wie du ja weißt, ist nichts umsonst auf dieserWelt. Deshalb komme ich, sobald die Ernte ein­ gebracht ist, um dich zu holen.“ Der Bauer kratzte sich hinter dem linken Ohr und meinte: „Das ist etwas zu früh. Lass mich die Ernte noch verkaufen, damit 20 30 Wie die Eichenblätter ihre Form erhielten ich sehe, dass meine Familie wirklich gut versorgt ist. Am besten du kommst wieder, sobald alle Blätter von den Bäumen gefallen sind. Bis dahin habe ich sicher alles erledigt.“ Der Teufel war damit einverstanden und verschwand so plötzlich, wie er erschienen war. Die Frau des Bauern war verzweifelt. „Was hast du nur getan?“, schluchzte sie. Er jedoch sprach: „Sei nur ruhig. Ein Bauer muss schlauer sein als alle Teufel dieser Welt zusammen.“ Dann ging er aus, kaufte das beste Stück Land, sie bestellten es, die Saat wuchs auf das Beste, und als die Ernte verkauft war, da hatte jedes Kind zum ersten Mal in seinem Leben ein eigenes Bett, ein eigenes Gewand, ja ein eigenes Paar Schuhe. Glücklich saßen sie Abend für Abend vor vollen Schüsseln, nur die Bauersfrau schaute immer besorgter aus dem Fenster, als die ersten Blätter von den Bäumen fielen. Nicht lange danach waren die Bäume rund um das Bauernhaus vomWind kahl gefegt, als schon der Teufel mit seinem kecken Hut samt roter Hahnenfeder vor der Tür stand und zum Bauern sprach: „Es ist an der Zeit, dass du mit mir gehst.“ Der Bauer kratzte sich hinter dem linken Ohr und schüttelte den Kopf. „Noch nicht ganz“, meinte er schließlich und zeigte auf den Eichenhain 1 unweit des Hauses. Dort waren die Blätter noch auf den Bäumen, und der Teufel sah, dass er noch etwas warten musste. 5 10 15 25 35 40 45 50 55 60 65 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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