Quer durch Kärnten, Leseheft

22 Märchenhaftes 5 10 Eines Tages nun wollte die Bauerntochter in den Wald, um Holz zu sammeln. Immer tie­ fer und tiefer ging sie hinein, als auf einmal ein riesiger Mann vor ihr stand, mit wilder Mähne, ungezähmtem Bartwuchs und einer blinkenden Axt über der Schulter. Aus kohl­ schwarzen Augen sah er sie unverwandt an und fragte mit donnernder Stimme: „Wo gehst du hin?“ „Weiter in den Wald, Holz holen“, antwortete sie zitternd. Da winkte er ihr zu folgen. Nach einer Weile blieb der wilde Mann an einem uralten, halbhohen Baumstumpf stehen, nahm die Axt von den Schultern, hieß die Bauerntochter, ihre Schürze aufzuhalten und hiebmit der Axt, so schnell konnte man gar nicht schauen, unzählige Splitter von dem Stamm. Als die Schürze damit voll war, meinte er: „Jetzt hast genug. Jetzt geh’ nach Hause.“ Das ließ sich die Bauerntochter kein zweites Mal sagen. Sie bedankte sich schüchtern, und dann eilte sie, so schnell sie konnte, davon. Auf demWeg wurde ihr die Schürze immer schwerer und schwerer und ihr war, als hörte sie feste Schritte hinter sich. Voll der Angst lief sie durch den Wald und erreichte endlich keuchend die Hütte. Erst als sie die Türe fest hinter sich verschlossen hatte, wagte sie einen Blick in die Schürze, deren Gewicht sie kaummehr halten konnte. Voller Gold war sie, Gold, das nur so blinkte und glänzte. Es war einmal ein Bauer, der hatte ohne eigenes Verschulden sein ganzes Hab und Gut verloren, sodass ihm außer seiner Tochter nur ein riesiger Schuldenberg geblieben war. Da baute er sich eine Hütte amWaldesrand, und sie fristeten fortan als Tagelöhner ein karges Dasein. Weil sie so heruntergekommen und arm waren, wurde ihre Behausung alsbald „Zur Bettelumkehr“ genannt. Der Bauer und seine Tochter behielten dennoch ein offenes Herz für jene, die noch weniger hatten als sie selbst. 15 20 25 30 35 40 Zur Bettelumkehr Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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