Gollenz Physik 4, Schulbuch

118 Wird die Kettenreaktion unter Kontrolle gehalten, so kann die entstehende Wärmeenergie nutzbar gemacht werden. Dies geschieht in einem Kernreaktor (nuclear reactor). Die im natürlichen Uran vorhandene Konzentration an U-235 ist zu gering, um eine Kettenreaktion ablaufen zu lassen. Daher verwendet man in den meisten Kernreaktoren sogenanntes angereichertes Uran als „Brennstoff“. Dieses enthält 2–3% U-235. Abb. 66.1 zeigt einen Siedewasserreaktor. Der Reaktorbrennstoff wird in Form von Brennstäben in einem Wassertank, dem Reaktordruckbehälter, untergebracht. Zwischen den Brennstäben befinden sich die Regelstäbe, die meistens aus Cadmium oder Bor bestehen. Sie sollen so viele Neutronen absorbieren, dass die Kernspaltung kontrolliert abläuft. Dazu kann man die Regelstäbe verschieden tief zwischen die Brennstäbe einschieben. Zur Spaltung von U-235 benötigt man langsamere Neutronen, als sie bei der Kernspaltung selbst entstehen. Das Wasser um die Brennstäbe bremst die schnellen Neutronen von ca. 1 000 km/s auf nur wenige km/s ab. Man sagt auch, es dient als Moderator1 für die Geschwindigkeit der Neutronen. Das Wasser muss aber auch die große Energie, die bei der Kernspaltung entsteht, aufnehmen. Dabei entsteht Wasserdampf. Er treibt eine Dampfturbine an, die mit einem Generator verbunden ist. Der Siedewasserreaktor besitzt nur einen Wasserkreislauf und hat somit den Nachteil, dass wegen der Radioaktivität des Dampfes auch die Turbine abgeschirmt werden muss. Der Druckwasserreaktor (Abb. 66.2) hat zwei Wasserkreisläufe. Das Wasser des Primärkreislaufes nimmt zunächst die im Reaktor erzeugte Wärmeenergie auf. Damit es dabei nicht verdampft, wird es unter hohen Druck gesetzt. Dann wird das Wasser einem Wärmetauscher zugeführt. Dort bringt es das Wasser des Sekundärkreislaufes zum Verdampfen. Der Wasserdampf wird zur Turbine geleitet, die sich außerhalb der Abschirmung des Reaktors befinden kann. Mehr als 50% der im Reaktor freiwerdenden Energie ist Abwärme. Daher baut man wegen des notwendigen Kühlwassers Kernkraftwerke möglichst an Flüssen oder am Meer. Andernfalls müssen große Kühltürme errichtet werden. Ein Kernkraftwerk hat mehrere Einrichtungen, welche die Abgabe von Radioaktivität an die Umwelt – sowohl im Normalbetrieb als auch bei Störungen und Unfällen – herabsetzen. Die im Reaktor entstehenden radioaktiven Stoffe werden durch die Umhüllung der Brennstäbe und vom Reaktordruckbehälter eingeschlossen. Die Strahlung dieser Spaltprodukte wird von einem mehrere Meter dicken Schwerbetonmantel abgeschirmt. Besondere Bedeutung kommt einem druckfesten, gasdichten, kugelförmigen Sicherheitsbehälter aus Spezialstahl zu. Er schließt das gesamte nukleare Dampferzeugungssystem ein. Gegen Einwirkungen von außen, wie Erdbeben oder Absturz eines Flugzeuges, wird dieser Sicherheitsbehälter durch eine Hülle aus Stahlbeton geschützt. 1 moderari (lat.) … mäßigen Bekommen wir in Österreich elektrische Energie aus Kernkraftwerken? 66.3 In einem Forschungsreaktor werden vor allem wissenschaftliche Experimente durchgeführt. 66.1 Schematische Darstellung eines Siedewasserreaktors Dampf Reaktor Brennstäbe Regelstäbe Dampfturbine Generator Kondensator Sicherheitsbehälter Wasser Reaktordruckbehälter Kühlwasser Schwerbetonmantel 66.2 Schematische Darstellung eines Druckwasserreaktors Regelstäbe Brennstäbe Dampfturbine Wärmetauscher Schwerbetonmantel Reaktordruckbehälter Kondensator Sicherheitsbehälter Generator Sekundärkreislauf Kühlwasser Wasser Primärkreislauf Energie aus Kernreaktionen 66 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum es Verlags öbv

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