Gollenz Physik 4, Schulbuch

117 65 Die Kernspaltung Die beiden deutschen Chemiker Otto Hahn (1879–1968) und Fritz Strassmann (1902–1980) machten 1938 beim Beschuss von Uran (U-235) mit langsamen Neutronen eine sensationelle Entdeckung. Unter den Reaktionsprodukten fanden sie Elemente mit wesentlich kleineren Massenzahlen, z. B. Barium (Ba-144). Es mussten also Uranatome in kleinere Atome zerfallen sein (Abb. 65.1). Damit war ihnen die erste künstliche Kernspaltung (nuclear fission) gelungen. Die österreichische Physikerin Liese Meitner (1878–1968) hat wesentlich zur Erklärung der damit verbundenen Vorgänge beigetragen. Bei einer Kernspaltung werden sehr große Energiemengen frei, da etwa ein Tausendstel der Masse jedes gespalteten Uranatoms in kinetische Energie der Bruchstücke umgewandelt wird. Beim Aufprall dieser Teilchen auf die umgebenden Stoffe geht diese Energie in Wärmeenergie über. Bei der Spaltung von 1 g Uran wird eine Energie von rund 20 000 kWh frei. Dies entspricht dem Heizwert von etwa 2 500 kg Steinkohle. Mit Albert Einsteins berühmter Formel E = m ∙ c2 kann man die Größe dieser Energie berechnen. Bei der Spaltung von U-235 entstehen neben anderen Spaltprodukten wiederum Neutronen. Sie spalten weitere Urankerne, sofern eine bestimmte Mindestmenge an spaltbarem Material vorhanden ist. Dabei entstehen immer wieder Neutronen, die neuerliche Spaltprozesse hervorrufen. Auf diese Weise kommt es zu einer Kettenreaktion (chain reaction, Abb. 65.2). Für U-235 beträgt diese kritische Masse (Mindestmenge) rund 50 kg. Das entspricht einer Urankugel von ca. 17cm Durchmesser. Unkontrollierte Kettenreaktionen laufen mit großer Geschwindigkeit explosionsartig ab. Während des zweiten Weltkriegs wurden im August 1945 erstmals zwei Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Die Folgen dieser Atombombenexplosionen waren fürchterlich (siehe Seite 122, Aufgabe 28). Für eine Kettenreaktion eignen sich nur ganz bestimmte Stoffe. Beispiele dafür sind U-235, das im natürlichen Uran mit 0,7% Häufigkeit enthalten ist, oder die künstlich hergestellten Isotope U-233 oder Plutonium Pu-239. Mit den bei der Kernspaltung im Reaktor entstehenden Neutronen werden u. a. die in Medizin und Technik benötigten Radioisotope hergestellt. Du bist dran – zeige deine Kompetenz: 65.1 Was versteht man unter einer Kettenreaktion bei der Kernspaltung? Woher kommt die bei der Kernspaltung freiwerdende Energie? 65.1 Schematische Darstellung einer Kernspaltung von 235U 92 235 92U 1 0n 1 0n 1 0n 1 0n 89 36Kr 144 56Ba Wird ein Urankern mit Neutronen beschossen, so ... ... entstehen Atomkerne mit wesentlich kleineren Massenzahlen und ... ... Neutronen. 65.2 Schema einer Kettenreaktion 235 92U 1 0n Neutron Neutronen Spaltprodukte Bei der Spaltung von Urankernen entstehen immer wieder neue Neutronen (Ketten- reaktion). Wird ein U-235 Kern von einem lagsamen Neutron getroffen, so tritt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Kernspaltung ein. Die kritische Masse ist jene Masse, die mindestens erforderlich ist, um eine Kettenreaktion bei der Kernspaltung aufrecht zu erhalten. Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum d s Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=