109 59 Radioaktivität Im Jahr 1896 hatte der französische Physiker Henri Becquerel1 zufällig uranhältiges Gestein auf einer lichtundurchlässig verpackten Fotoplatte liegen gelassen. Beim Entwickeln der Fotoplatte bemerkte er auf ihr einen belichteten Fleck in der Größe des Uranerzes. Er schloss daraus, dass Uran eine unsichtbare Strahlung aussendet, die Papier durchdringt und fotografische Platten schwärzt. In den folgenden Jahren gelang es dem Ehepaar Marie Curie2 und Pierre Curie3 (Abb. 59.1) zwei stark strahlende Elemente zu isolieren. Sie nannten das eine Polonium (Po) – Marie Curie stammte aus Polen –, das andere Radium4 (Ra). Die Eigenschaft eines Stoffes, beim Zerfall Strahlung abzugeben, nannten sie Radioaktivität (radioactivity). Im Gegensatz zu Licht, UV- und Röntgenstrahlung, die von der Atomhülle ausgehen, kommt diese Strahlung ohne Einwirkung von außen aus dem Atomkern. Elemente mit dieser Eigenschaft heißen radioaktive Elemente. Zum Beispiel ist von den drei Isotopen des Wasserstoffs jenes mit zwei Neutronen radioaktiv und wandelt sich unter Abgabe von Strahlung in ein Isotop mit einem stabilen Kern um. Demonstrationsversuch: Ein Elektroskop wird elektrisch aufgeladen (Abb. 59.2). Nähert man dem Elektroskop z. B. ein schwaches Radiumpräparat, so geht der Ausschlag rasch zurück. Die Strahlung des radioaktiven Präparats ionisiert die Luft, wodurch das Elektroskop entladen wird. Daher wird sie ionisierende Strahlung genannt. Je weiter wir das Präparat vom Elektroskop entfernen, desto langsamer geht die Entladung vor sich. Das heißt, die Intensität der Strahlung nimmt mit der Entfernung ab. Die Strahlung, die beim radioaktiven Zerfall entsteht, heißt ionisierende Strahlung. Sie wird umgangssprachlich fälschlicherweise auch als radioaktive Strahlung bezeichnet. Durch Ablenkungsversuche im Magnetfeld (Abb. 59.3) oder im elektrischen Feld kann man zeigen, dass radioaktive Stoffe im Allgemeinen drei Arten von Strahlung aussenden. Bei der α -Strahlung ( α -rays) werden Kerne des Heliums 4H mit 10 000– 20 000 km/s aus dem Atomkern herausgeschleudert. Wegen ihrer elektrischen Ladung werden sie in einem Magnetfeld abgelenkt. Die α -Strahlung hat in Luft eine Reichweite von nur wenigen Zentimetern und kann schon von einem Blatt Papier abgeschirmt werden. Für den Menschen stellt sie daher erst dann eine Gefahr dar, wenn ein α -Strahler z. B. mit der Nahrung in den Körper gelangt (Inkorporation) und diesen von innen bestrahlt. Verlässt ein α -Teilchen den Atomkern, so verliert dieser zwei Protonen und zwei Neutronen. Es entsteht daher der Kern jenes Elements, das im Periodensystem zwei Stellen weiter links steht (Abb. 59.4). Man spricht von einer Kernumwandlung. 1 Henri Becquerel (1852–1908), französischer Physiker und Nobelpreisträger 2 Marie Curie (1867–1934), französische Physikerin und Chemikerin, zweifache Nobelpreisträgerin 3 Pierre Curie (1859–1906), französischer Physiker und Nobelpreisträger 4 radius (lat.) … Strahl Warum ist Radioaktivität für den Menschen gefährlich? 59.1 Links: Pierre Curie Rechts: Marie Curie 59.2 Ionisation der Luft durch die Strahlung einer radioaktiven Substanz N S Behälter aus Blei mit Radium 59.3 Die elektrische geladene α- und β–-Strahlung werden in einem Magnetfeld unterschiedlich abgelenkt, γ -Strahlung hingegen nicht. 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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