Gollenz Physik 3, Schulbuch

79 47 Besondere elektrische Leiter Du hast bisher zwei große Gruppen von elektrischen Leitern kennen gelernt. Bei der ersten Gruppe erfolgt die Leitung des elektrischen Stroms mittels Elektronen. Durch die Leitung des elektrischen Stroms entsteht dabei keine stoffliche Veränderung. Die Metalle und auch Graphit gehören zu dieser Gruppe. Bei der zweiten Gruppe, erfolgt die Leitung des elektrischen Stroms durch Ionen. Dazu gehören die Elektrolyte. Sie sind wässrige Lösungen von Salzen, bzw. Säuren und Laugen und enthalten frei bewegliche Ionen. Der elektrische Widerstand eines Stoffes hängt nicht nur vom Material, sondern auch von der Temperatur ab. Bei Metallen steigt er im Allgemeinen bei Temperaturerhöhung. Bei Kohle und den Halbleitern sinkt er. Glas ist bei Normaltemperatur ein Isolator. Erhitzt man es aber auf über 600 °C, so entstehen in der Glasschmelze Ionen und sie wird elektrisch leitend. In Schmelzöfen für Glas wird dies ausgenützt. Im April 1911 machte der niederländische Physiker Heike Kamerlingh Onnes1 beim Experimentieren mit flüssigem Helium bei einer Temperatur von ca. 4K eine erstaunliche Entdeckung. Der elektrische Widerstand von Quecksilber verschwand plötzlich vollständig. Solche Materialien, deren elektrischer Widerstand bei sehr tiefen Temperaturen plötzlich verschwindet, heißen Supraleiter. Die Temperatur, bei der der elektrische Widerstand plötzlich auf null sinkt, heißt Sprungtemperatur. In Teilchenbeschleunigern (Abb. 47.1), Kernfusionsreaktoren und Magnetresonanztomographen kommen Supraleiter zur Erzeugung sehr starker Magnetfelder zum Einsatz. Dabei werden Materialien verwendet, die mit flüssigem Helium (Temperatur etwa 4K = –269 °C) gekühlt werden müssen. Da die Abkühlung auf so tiefe Temperaturen aufwändig und sehr teuer ist, wird intensiv nach Supraleitern geforscht, die eine möglichst hohe Sprungtemperatur haben. Materialien, deren Sprungtemperatur über 23K liegen, heißen Hochtemperatursupraleiter. Trotz intensiver Forschung kennt man auch heute noch keine metallischen Supraleiter mit einer Sprungtemperatur von über 23K. Hingegen hat man bei keramischen Stoffen schon Sprungtemperaturen von fast 140K (–133 °C) erreicht. Allerdings sind diese keramischen Materialien sehr spröde und damit für die Herstellung von Drähten, z. B. für Spulen, nicht geeignet. Gase leiten bei Normalluftdruck und nicht zu hohen Spannungen den elektrischen Strom kaum. Ein Gas, in dem die Atome teilweise oder vollständig in Ionen und Elektronen gespalten sind, nennt man ein Plasma. Durch diese freien Ladungsträger ist das Plasma ein elektrischer Leiter. Ein großer Teil der sichtbaren Materie im Weltall befindet sich im Plasmazustand (Abb. 47.2). Auch ein Blitz und das Polarlicht (Abb. 47.3) sind Erscheinungen im Zusammenhang mit Plasma. Mit Plasmalampen (Abb. 66.9 , Seite 112) lassen sich bizarre Lichterscheinungen erzeugen, die auch in der Filmindustrie verwendet werden. 1 Heike Kamerlingh Onnes (1853–1926), niederländischer Physiker. 1914 erhielt er für seine Forschungen im Bereich der Tieftemperaturphysik den Nobelpreis. Weißt du, was ein Supraleiter ist? Bei Supraleitern verschwindet der elektrische Widerstand bei einer bestimmten tiefen Temperatur, der Sprungtemperatur, plötzlich. Ein Plasma ist ein Gas, in dem die Atome teilweise oder vollständig ionisiert sind. Es leitet daher den elektrischen Strom. 47.1 Teilchenbeschleuniger (LHC, CERN) 47.2 Sonnenoberfläche mit Sonneneruptionen (Protuberanzen), aufgenommen durch ein Spezailfilter 47.3 Polarlicht Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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