Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
82 Barock (1600–1720) Wir haben lange Jahr erreicht und schimmelweiß Parocken 1 , Das Gsicht war ganz und gar erbleicht, Die Wangen gleich den Socken. […] Das Elfenbein nicht mehr im Mund, Das Maul ein leere Taschen, Wir brauchten oft drei ganzer Stund, Ein Bröckl Brot zu naschen. Das matte Haupt, der Zitterkopf, Tät immer den Takt geben. […] Und dennoch, wie der bissig Tod Nach uns oft täte schnappen, Da wollten wir bald hü bald hot, Er soll uns nicht ertappen. Nit gern, nit gern, nit gerne dann Ließen wir unser Leben. Es war nicht um den Tod zu tun, Sondern Rech’nschaft zu geben. ■■ Diskutieren Sie in der Klasse oder Gruppe, ob man Ihrer Meinung nach über den Tod so rau, drastisch und krass sprechen „darf“. ■■ Erörtern Sie in diesem Zusammenhang auch, in welchen Formen die einzelnen Menschen und die Gesellschaft als Ganze mit Vergäng lichkeit und Tod umgehen. Der versoffene Narr Der weise Salomon liess einst dise Wort hören […]: Ich gedachte in meinem Hertzen / mein Fleisch vom Wein zu enthalten / und mein Gemüth auff die Weißheit zu wenden / und die Thorrheit zu vermeiden. Auß welchen Worten klar und sattsam erhellet / daß die Leuth durch das unmässige Sauffen zu Narren werden: Der Trunckenheit drei S. S. S. Merckts wol / und nicht vergeß / Sünd / Schand / Schad sie bedeuten. Flieh sie zu allen Zeiten. Die Trunckenheit ist ein Sünd: die Truncken-Boltzen werden das Reich GOttes nicht besitzen: die Trunckenheit ist ein Schand: denn beschau du einen vollen Zapffen: […] die Nasen tröpflet wie ein zerlexter Schleiff-Kübel / die Augen verkehrt er wie ein abgestochener Bock; das Maul seiffert / wie ein schmutziger Feimleffel 2 die Zung ist erstarret / wie ein Nudel-Walcker; die Stimm bommert / wie ein alte Regiments-Trommel […]. Die Trunckenheit ist ein Schad / dann sie frist und verzehrt die Mittel. […] Auff gleichen Leisten war geschlagen auch jener Weinschlauch / welcher keinen Tag unterlassen / da er nicht bei seinen Bekannten gesoffen / und zwar meistens umbsonst. […] Diser Weinschlauch wegen deß steten Sauffens bekam einen solchen gesaltzenen Fluß an dem rechten Aug / daß ihm der Artzt gesagt / wofern er sich hinfüran nicht werde deß Sauffens mässigen / so komme er unfehlbar umb das Aug: worauff der Kannel-Bruder versetzt / es ist besser / daß ich ein Fenster verliehre / als das gantze Gebäud: das war ein versoffener Narr. ■■ Bestimmen Sie in „Der versoffene Narr“ die Stellen, an denen folgende Überzeugungs strategien angewendet werden, um vor der Trunkenheit zu warnen: –– Berufung auf (religiöse) Autoritäten –– Sündhaftigkeit der Trunkenheit, Verlust des „Himmelreichs“ –– ästhetische Beeinträchtigung –– finanzielle Auswirkungen –– gesundheitliche Auswirkungen. ■■ Bestimmen Sie, an welche literarische Tradition des Humanismus der Autor anknüpft. 6 8 10 12 14 16 18 20 22 1 Parocken = Perücken Aufgabe 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 2 Schaumlöffel Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
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