Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

79 Barock (1600–1720) Martin Opitz Ach Liebste laß uns eilen Ach Liebste laß vns eilen Wir haben Zeit: 1 Es schadet das verweilen Vns beyderseit. Der Edlen Schönheit Gaben Fliehen fuß für fuß: Daß alles was wir haben Verschwinden muß. Der Wangen Ziehr verbleichet Das Haar wird greiß Der Augen Feuer weiche Die Brunst wird Eiß. Das Mündlein von Corallen Wird ungestalt Die Händ’ als Schnee verfallen Vnd du wirst alt. Drumb laß uns jetzt geniessen Der Jugend Frucht Eh’ wir folgen müssen Der Jahre Flucht. […] Paul Fleming Ein getreues Hertze Ein getreues Hertze wissen / hat deß höchsten Schatzes Preiß. Der ist seelig zu begrüssen / der ein treues Hertze weiß. Mir ist wol bey höchstem Schmertze / denn ich weiß ein treues Hertze. Läufft das Glücke gleich zu zeiten anders als man will und meynt / ein getreues Hertz’ hilfft streiten / wider alles / was ist feind. Mir ist wol bey höchstem Schmertze / denn ich weiß ein treues Hertze. […] 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 1 Dieser Vers wird verschieden gedeutet: entweder „Es ist an der Zeit“ oder „Es ist die rechte Gelegenheit“. 2 4 6 8 10 12 Friedrich Logau Des Krieges Buchstaben Kummer, der das Mark verzehret, Raub, der Hab und Gut verheeret, Jammer, der den Sinn verkehret, Elend, das den Leib beschweret, Grausamkeit, die unrecht kehret, Sind die Frucht, die Krieg gewähret. Andreas Gryphius Grabschrifft Marianae Gryphiae seines Brudern Pauli Töchterlein Gebohren in der Flucht / umringt mit Schwerd und Brand / Schier in dem Rauch erstückt / der Mutter herbes Pfand / Des Vatern höchste Furcht / die an das Licht gedrungen / Als die ergrimmte Glutt mein Vaterland verschlungen. Ich habe dise Welt beschaut und bald gesegnet: Weil mir auff einen Tag all Angst der Welt begegnet. Wenn ihr die Tage zehlt; so bin ich jung verschwunden / Sehr alt; sofern ihr schätzt / was ich für Angst empfunden. Mariana Gryphius wurde am 8. Juli 1637 in Freistadt in Schlesien geboren. Am nächsten Tag wurde die Stadt völlig zerstört, Mariana wurde getötet. Die „Grabschrift“ war eine im Barock oft gepflegte Sonderform des Epigramms. Andreas Gryphius Es ist alles eitel DV sihst / wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden. Was diser heute baut / reist jener morgen ein: Wo itzund Städte stehn / wird eine Wisen seyn / Auff der ein Schäfers-Kind wird spilen mit den Herden: Was itzund prächtig blüht / sol bald zertretten werden Was itzt so pocht und trotzt / ist Morgen Asch und Bein / Nichts ist / das ewig sey / kein Ertz / kein Marmorstein. Itzt lacht das Glück uns an / bald donnern die Beschwerden. Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn. Soll denn das Spil der Zeit / der leichte Mensch bestehn? Ach! was ist alles diß / was wir vor köstlich achten / Als schlechte Nichtigkeit / als Schatten, Staub und Wind; Als eine Wisen-Blum / die man nicht widerfind’t. Noch will was Ewig ist / kein einig Mensch betrachten! 2 4 6 2 4 6 8 2 4 6 8 10 12 14 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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