Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
76 Barock (1600–1720) Religiöse Texte: Mystiker und Prediger haben das Wort Geistliche Dichtung als Trost und Mahnung Krieg, Pest, Hungersnöte führen auch zu tiefer Religio sität. Mystische Schriften, geistliche Gedichte, Predig ten, heute noch in den Gottesdiensten gesungene pro testantische und katholische Kirchenlieder (Paul Ger hardt: „O Haupt voll Blut und Wunden“, „Befiehl du deine Wege“, „Nun ruhen alle Wälder“) sind die literari schen Zeugnisse persönlichen Glaubens und kirchli cher Ermahnung und Trostspendung. Die Mystik – paradoxe Sprache, erotische Metaphern Das Irdische zu überwinden, mit Gott direkt in Verbin dung zu treten, das ist das Bestreben der Mystik. Angelus Silesius (1624–77) versucht in seinem Werk „Der cherubinische Wandersmann“ diese Verbindung mit Gott auszudrücken (2) . Die Unmöglichkeit, das Wesen Gottes zu erfassen, führt zu einem sprachlichen Umkreisen dieser Themen mit Metaphern, Antithesen und Paradoxa: „Ich bin so groß als Gott / Er ist als ich so klein: Er kann nicht über mich / ich unter Ihm nicht seyn.“ Die Predigt – Rhetorik, um das Volk zu erreichen Predigten sollen direkt auf die Zuhörer und Zuhörerin nen wirken, sie packen, tadeln, überzeugen. Die Be herrschung der rhetorischen Mittel ist dafür Voraus setzung. Die Predigten und Satiren des vor allem in Graz und Wien wirkenden katholischen Geistlichen Abraham a Sancta Clara (1644–1709), wie „Wunderli- cher Traum von einem großen Narrennest“ , setzen auf alle Effekte der barocken Rhetorik: Wortspiele, Hyper beln, Antithesen, Metaphern, Paradoxa (3) . Der Roman: Herrscherlob, Satire, Realitätsflucht und die drei Romangattungen Der heroische Roman spielt auf der Ebene der Fürsten und dient ihrem Lob. Die Helden, fast immer ein Lie bespaar, sind Idealmenschen, die nach Trennung und Überwindung vieler Widrigkeiten aufgrund ihrer Standhaftigkeit zueinander finden. Am Ende herrscht wieder Harmonie, ganz im Sinne des absolutistischen Herrscherprinzips. Die Häufung von Abenteuern regte aber auch zu literarischen Parodien an. Die bedeu tendste Parodie und zugleich einer der großen Roma ne der Weltliteratur ist „Don Quijote“ (1605/1615) von Miguel de Cervantes. Der repräsentativste deutsche heroische Roman ist das 3.000-Seiten-Werk „Groß müthiger Feldherr Arminius“ von Daniel Casper von Lohenstein (1689). Im Gegensatz dazu spielt der Schelmenroman in den unteren Schichten: Soldaten, Gesinde, Räuber, Schau spieler, Prostituierte. Oft wird der Schelmenroman als fiktive Autobiographie gestaltet. Der Held schaut in der Ich-Form meist reuevoll auf sein Leben zurück und wirft einen satirisch-kommentierenden Blick auf die „verkehrte“ Welt, die ihm Einfalt und Unschuld geraubt hat, und aus der er sich am Ende desillusioniert zu rückzieht. Der wichtigste Schelmenroman der deut schen Barockliteratur und zugleich der bedeutendste Barockroman überhaupt ist „Der Abentheuerliche Sim- Titelkupfer zu „Großmüthiger Feldherr Arminius“ von Daniel Casper von Lohenstein, Leipzig, 1689/90 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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