Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

70 Das 1. Faust-Fenster: Faust taucht auf Die berühmteste Figur der deutschsprachigen Literatur Faust – eine reale Person Viele Literaturen haben ihre berühmten Symbolgestal­ ten: Die antike griechische Literatur hat König Ödipus , Antigone und Medea , die spanische Literatur Don Quijote und Sancho Pansa , die englische Hamlet . Die berühmteste Figur der deutschsprachigen Literatur ist Faust . Stellungnahmen und Beschreibungen von Zeit­ genossen oder kurz danach belegen, dass Faust eine reale Person war. Der rekonstruierte Steckbrief Fausts ■■ Geburtsdatum, Geburtsort: 1480 in Knittlingen (heute Baden-Württemberg) oder Roda (heute Stadtroda in der Nähe von Weimar, Thüringen) ■■ Name: Johann oder Georg Sabellicus Faust ■■ Eltern, Kindheit: Bauern; von einem vermögenden Verwandten aufgenommen ■■ Ausbildung: Studien der Theologie, Alchemie (Vorläuferin der Chemie; ihr Ziel: den Stein der Weisen zu finden, mit dem man unedle Metalle in Gold oder zumindest Silber verwandeln könnte) ■■ Akademischer Grad: Magister: 1506 Visitenkarte: „Magister Georgius Sabellicus Faustus junior, fons necromantorum, astrologus, magus secundus, chiromanticus, areomanticus, pyromanticus, in arte hydra secundus“ – Quell der Totenbeschwörer, Sterndeuter, Magier, Handleser, Luftdeuter, Feuerdeuter, Harnbeschauer ■■ Berufe: kurz Schulmeister – wegen „Verführung“ der Schüler entlassen, Magier, Alchemist, medizi­ nische Praktiken ■■ Aufenthalte: Erfurt, Bamberg, Nürnberg, Ingolstadt, Köln, Würzburg, Nürnberg, oft aus diesen Städten ausgewiesen, meist aus finanziellen Gründen ■■ Gestorben: 1539 oder 1540 wohl in Staufen (Baden-Württemberg); Tod möglicherweise durch eine von ihm bei Versuchen verursachte Explosion Zeugnisse von Zeitgenossen Der Humanist Johannes Trithemius (1462–1516), Abt, selbst Verfasser von „Zauberbüchern“ und Konkurrent von Faust: Jener Mensch, über welchen du mir schreibst, Georg Sabellicus, welcher sich den Fürsten der Nekroman- ten [= Totenbeschwörer] zu nennen wagte, ist ein Landstreicher, leerer Schwätzer und betrügerischer Strolch, würdig ausgepeitscht zu werden, damit er nicht ferner mehr öffentlich verabscheuungswürdige und der heiligen Kirche feindliche Dinge zu lehren wage. […] Als ich mich später in Speyer befand, kam er nach Würzburg und soll sich in Gegenwart vieler Leute mit gleicher Eitelkeit gerühmt haben, dass die Wunder unseres Erlösers Christi nicht anstaunens- wert seien; er könne alles tun, was Christus getan habe, […] und sagte, dass er in der Alchemie von al- len, die je gewesen, der Vollkommenste sei, und wisse und könne, was nur die Leute wünschten. Der Humanist Philipp Melanchthon (1497–1560), Theo- loge und Mitarbeiter Luthers: Ich habe einen namens Faustus gekannt. Als er zu Kra- kau studierte, hatte er die Magie erlernt, wie sie dort früher stark getrieben wurde, wo man öffentliche Vor- Titelblatt der Bearbeitung des „Faust“-Stoffes von einem „Christlich-Meynenden“, 1726 5 10 15 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=