Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

65 Renaissance, Reformation, Humanismus (1450–1600) Das Schlaraffenland Eine Gegend heißt Schlaraffenland, den faulen Leuten wohlbekannt; die liegt drei Meilen hinter Weihnachten. Ein Mensch, der dahinein will trachten, muss sich des großen Dings vermessen und durch einen Berg von Hirsebrei essen; der ist wohl dreier Meilen dick; alsdann ist er im Augenblick im selbigen Schlaraffenland. Da hat er Speis und Trank zur Hand; da sind die Häuser gedeckt mit Fladen, mit Lebkuchen Tür und Fensterladen. Um jedes Haus geht rings ein Zaun, geflochten aus Bratwürsten braun; vom besten Weine sind die Bronnen, kommen einem selbst ins Maul geronnen. […] Auch fliegen um, das mögt ihr glauben, gebratene Hühner, Gäns’ und Tauben; wer sie nicht fängt und ist so faul, dem fliegen sie selbst in das Maul. Die Schweine, fett und wohlgeraten, laufen im Lande umher gebraten. Jedes hat ein Messer im Rück’; damit schneid’t man sich ab ein Stück und steckt das Messer wieder hinein. Käse liegen umher wie die Stein. […] Auch ist ein Jungbrunn in dem Land; mit dem ist es also bewandt: wer da hässlich ist oder alt, der badet sich jung und wohlgestalt’t. […] Wer Zucht und Ehrbarkeit hätt lieb, denselben man des Lands vertrieb, und wer arbeitet mit der Hand, dem verböt man das Schlaraffenland. Wer unnütz ist, sich nichts lässt lehren, der kommt im Land zu großen Ehren, und wer der Faulste wird erkannt, derselbige ist König im Land. […] Wer also lebt wie obgenannt, der ist gut im Schlaraffenland, in einem andern aber nicht. Drum ist ein Spiegel dies Gedicht, darin du sehest dein Angesicht. ■■ Beschreiben Sie, welche Wünsche und Sehnsüchte des Menschen im „Schlaraffen­ land“ erfüllt werden. ■■ Erläutern Sie, was für Sie persönlich das „Schlaraffenland“ wäre. Der Fokus Luthers Übersetzungskunst Luther und die neuhochdeutsche Schriftsprache Da viele Menschen Luthers Bibelübersetzung lesen wollten, wurde die Bildung einer einheitlichen deut­ schen Schriftsprache beschleunigt. Luther sprach Mit­ teldeutsch, das zum Hochdeutschen gehört. Die Spra­ che der Wiener Kaiserlichen Kanzlei, die im 15. Jahr­ hundert schon einen weiten Geltungsbereich im deut­ schen Sprachgebiet hatte, war das Oberdeutsche, ebenfalls eine Form des Hochdeutschen. Deshalb setz­ te sich das Hochdeutsche als Schriftsprache ab dem 16. Jahrhundert im ganzen deutschen Sprachraum durch. Luthers Ziel Die Bibelübersetzung Luthers aus den hebräischen und griechischen Urtexten fand großen Absatz. Zwi­ schen 1534 und 1570 wurden allein von einem einzigen Drucker in der Lutherstadt Wittenberg mehr als 100.000 Exemplare ausgeliefert. Doch Luther wollte nicht nur besser verständlich sein als seine Vorgänger. Es ging ihm auch um die emotionale Wirkung der Sprache, mit der er die Menschen für seine religiösen Anschauun­ gen gewinnen wollte. Im „Sendbrief vom Dolmet­ schen“ (1530) erläutert der Autor seine Übersetzungs­ prinzipien: 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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