Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

51 Spätmittelalter (1250–1450) Der Fokus Das Problem der Handschriften Einander widersprechende Handschriften Die Texte des Mittelalters sind in Handschriften überlie­ fert; besonders beliebte Werke in sehr zahlreichen, die voneinander nicht selten abweichen und einander manchmal sogar an wichtigen Stellen widersprechen. Manche Handschriften stammen aus der Entstehungs­ zeit der Werke, manche sind hingegen Jahrzehnte spä­ ter geschrieben worden. Auch die Qualität (= Genauig­ keit) der Schreiber ist unterschiedlich; manche Schrei­ ber „verbessern“ nach ihrem Gutdünken Wörter oder Verse, die sie nicht verstehen. Man spricht dann von der so genannten „Schlimmbesserung“. Handschriften sind nicht selten unvollständig, an manchen Stellen schlecht lesbar. Die Wissenschaft bemüht sich, solche Stellen mit Hilfe von Konjekturen – begründeten Vermutungen – lesbar zu machen, wobei es manchmal zu harten Aus­ einandersetzungen zwischen verschiedenen Vorschlä­ gen kommt. Manchmal wird durch weitere Handschrif­ tenfunde die eine oder andere umstrittene Konjektur bestätigt oder als falsch erwiesen. Die berühmteste Handschrift Die wohl berühmteste mittelalterliche Literaturhand­ schrift ist die „Große Heidelberger Liederhandschrift“ – siehe auch S. 30 ff. Sie wird auch „Codex Manesse“ oder einfach „Handschrift C“ genannt und wird heute in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt. Sie besteht aus 426 Pergamentblättern im Format 35,5 x 25 cm. Der „Codex Manesse“ ist um 1300 in Zü­ rich entstanden, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Sammeltätigkeit der Zürcher Patrizierfamilie Manesse, nach der die Handschrift ihren heutigen Beinamen hat. Sie ist eine der Hauptquellen für den „klassischen“ und „nachklassischen“ Minnesang. Die insgesamt 138 Miniaturen, welche die Dichter der Wer­ ke in idealisierter Form bei höfischen Aktivitäten dar­ stellen, sind eines der bedeutendsten Dokumente go­ tischer Buchmalerei. Doppelseite aus dem Codex Manesse (192v, 193r), Lieder von Albrecht von Rapperswil, 1300/1340 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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