Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

50 Spätmittelalter (1250–1450) […] Auff ainem kofel rund und smal, mit dickem wald umbvangen, vil hoher perg und tieffe tal, stain, standen, stöck, snestangen, der sich ich täglich ane zal. noch aines zwingt mich pangen, das mir der klainen kindlin schal mein oren dick bedrangen hat durchgangen. Wie vil mir eren je geschah durch fürsten, künigin gevach, und was ich freuden je gesach, das püess ich als under ainem dach. mein ungemach der hat ain langes ende. Vil gueter witz der gieng mir not, seit ich muess sorgen umb das prot. dazue so wirt mir vil gedrot, und tröst mich niena mündlin rot. der ich e pflag, dafür ich sich neur kelber, gaiss, pöck, rinder, und knospot leut, swarz, hässelich, vast rotzig gen dem winder. […] vor angst slach ich mein kinder oft hinhinder. Dann kumpt ir mueter zuegepraust, zwar die begint zu schelten. […] si spricht: „wie hastu nu erzaust die kind zu ainem zelten?“ ab irem zoren mir da graust; doch mangel ich sein selten scharff mit spelten. Mein kurzweil die ist mangerlei neur eselgsang und pfawengschrai wunscht ich mir nicht mer umb ain ai. vast rauscht der pach in hurlahai mein haubt enzwai, das es begint zu kranken. Also trag ich mein aigen swär. täglicher sorg, vil poser mär wirt Hauenstain gar selten lär. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 3840 Untersuchen Sie die Klagen Oswalds auf folgende Themen: geografisch bedingtes Ungemach – klimati­ sche Nachteile – familiäre Probleme – finanzielle Fragen – Verlust des gesellschaftlichen Umfelds! Hinweis: Lesen Sie den Originaltext laut! Der Lautwert der gesprochenen Sprache ist vom heutigen Deutsch viel weniger unterschieden als die spätmittelalterliche Schreibweise . Sie können so eine ganze Reihe von Sätzen verstehen, ohne die neuhochdeutsche Übertragung benützen zu müssen. Aufgabe […] Auf einem schmalen runden Kofel, umgeben von dichtem Wald, sehe ich Tag für Tag nur hohe Berge und tiefe Täler, zahllose Felsen, Büsche, Baumstümpfe und Schneestangen. Und eines bedrückt mich mit Angst: dass mir der Lärm meiner kleinen Kinder in die oft geplagten Ohren eingedrungen ist. Was mir je an Ehren erwiesen worden ist von all den Fürsten und Königinnen und was ich je an Freuden erlebt habe, das büße ich jetzt alles ab unter einem kleinen Dach. Meine Qual zieht sich in die Länge. Ich brauche eine Menge von guten Einfällen, seit ich um das tägliche Brot sorgen muss. Noch dazu wird mir dauernd gedroht. Und kein rotes Mündlein tröstet mich. Statt meiner früheren Gesellschaft sehe ich jetzt nur Kälber, Geißen, Böcke, Rinder und ungeschlachte Leute, schwarz, hässlich und ganz rotzig im Winter. […] Aus Angst schlage ich oft meine Kinder und treibe sie in die Ecke. Dann kommt ihre Mutter hergebraust, die fängt nicht schlecht zu schelten an. […] Sie sagt: „Wie hast du nun die Kinder zu einem Fladen geprügelt.“ Vor ihrem Zorn graut mir dann, doch spüre ich ihn fast immer, scharf und spleißend. Meine Unterhaltung ist sehr abwechslungsreich: lauter Eselsgesang und Pfauengeschrei; davon wünschte ich mir keinen Deut mehr. Der Bach rauscht mir mit hurlahei meinen Kopf kaputt, dass er ganz matt wird. So trage ich mein Teil an Ungemach. Von täglichen Sorgen und schlechten Nachrichten ist Hauenstein selten verschont. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 3840 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

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