Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

449 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt jetzt da in die tasche rein von seiner uniform, wo nochmal kälter dieser kellerschlüssel drinnen liegt. in seinem kopf gefrierbrand jetzt. was wohl mit all dem rehragout passieren wird? Der Rat von Schlichts Freund Fabian Schlicht sucht Rat, ob er Schauers Auftrag annehmen soll, bei Fabian, Besitzer eines Ladens für Feuerwerks­ raketen. Fabians Rat: wenn er schon nicht anders könne als zu sterben, er, der feuerwerker fabian, dann wolle er so unnatürlich wie irgend möglich sterben. beim queren einer straße von einem ast getroffen, an einer erbrochenen damenbinde ersticken, oder eben in einem eiskasten langsam erfrieren. er könne auch beim besten willen keinen grund finden, warum er, der schlicht, dem doktor schauer diesen letzten wunsch nicht noch erfüllen sollt. dass es geradezu seine pflicht als kultivierter mensch sei, dem doktor schauer zu dem gewünscht unnatürlichen tode zu verhelfen. dass die ausführung seiner anweisungen, dass die aufführung dieses totenrituals eine der größten kulturleistungen überhaupt darstellen würde. „franz, das ist eine chance. nicht nur für dich. das ist eine chance für uns alle.“ sprichts aus ihm raus, während er mit einem der abgebrochnen schillingraketenstiele in die zahnspange reinstochert, die ihm die mutter aufge- zwungen. Schlichts Gang in den Keller Schlicht nimmt Fabians Rat an und begibt sich in Schauers Keller, um dessen Wunsch zu erfüllen. süße fäule, durchzogen von wacholder, im gang zum keller hin. metallen sitzt ein würgen ihm im hals, dem schlicht, als er die türe öffnet. am kellerboden vor dem eiskasten ein berg aus rehra- gout. […] von gammliger erhabenheit. er hätte früher kommen sollen. hat über eine woche zugewartet. hat immer nur in seine tasche reinge- fasst, während routinemäßig er die runden in der vorstadt drehte. getastet nach dem kältepol in seiner tasche drin, wo er den schlüssel hingelegt. und konnte sie, die dumme hand, das tasten nach dem schlüssel nicht mehr bleiben lassen. wie eine zunge nach dem losen zahn, griff immer wieder sie die dumme, dumme hand hinein in seine hosentasche. und hat der saft, wo diese packungen nicht dicht gehalten, sich aufgetaut herausergossen schon. das gammlige geschöpf in einem see aus bratensaft. in seinem eignen saft liegt es. und watet er jetzt durch die brühe auf den kühlkasten dahinter zu. mit jedem schritt ziehen wellen in der lache, wie gänsehaut, über den boden. als er ganz nah am gammeltier, scheucht fliegen auf er, die den raum durchsummen. und in ihm drinnen ein denken, das wächst wie eiskristalle, bei jedem schritt, den er jetzt tut. und öffnet er die tür zum kalten herzstück dieses raums. darin nur nichts. kein kalter schauer. nur kalte luft, die ihm entgegenstürzt. ■■ Bestimmen Sie die sprachlichen Eigenheiten des Textes. ■■ Beschreiben Sie die drei Personen. ■■ Beurteilen Sie die Wirkung des Schlusses auf Sie. 27 „Es interessiert mich nicht, die Wirklichkeit zu zeigen, es geht mir darum, meine Wirklichkeit zu zeigen.“ Peter Handke: „Mein Jahr in der Niemandsbucht“ (1994) Ein großer Auftritt Zu einer Tagung der Gruppe 47 eingeladen zu wer­ den, galt in den 50er- und 60er-Jahren für junge Auto­ ren als große Ehre. Am 25. April 1966 ist es für Peter Handke soweit. Er darf an der US-Universität Prince­ ton aus seinem Roman „Die Hornissen“ lesen. Doch anstatt sich, wie üblich, nach der Lesung dem Urteil der Gruppe zu stellen, setzt Handke zu einer Abrech­ nung mit der Literatur der Gruppe 47 an. „Beschrei- bungsimpotenz“ wirft er den Autoren vor, ihre Werke 132 134 2 4 6 8 10 12 14 16 18 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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