Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

445 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt 24 „Überall zu lesen“ Elfriede Gerstl: „die depperte gewohnheit“ und „mitunter hab ich diesen körper nicht im griff“ (1999) Die Gedichte von Elfriede Gerstl, die als jüdisches Kind die NS-Zeit nur durch häufiges Wechseln ihrer Verste­ cke überlebte, kann man, so ein Rezensent, „auch in der U-Bahn lesen. Oder im Kaffeehaus. In der Badewan- ne. Überall.“ Esoterik, Metaphern, Wohlklang kommen darin nicht vor – im Gegenteil. Gerstls Sprache ist ebenso ungeschminkt wie der Inhalt der Gedichte, wie die beiden Texte aus Gerstls Band „Alle Tage Gedichte“ zeigen. mitunter hab ich diesen körper nicht im griff 1. mitunter hab ich diesen körper nicht im griff er kommt mir aus – ich schau verwundert zu wie ich mich stoss – verbrenn – und wie s mi hinstraat […] 2. mitunter geht mir morgens schon die muffn der nacken schmerzt – die zahnbehandlung droht nachdem sie achtzehnmal verschoben worden […] 3. jetzt sind die freunde älter und scheisskrank täglich kommt neue kunde – krebs kotzen koma tät i mi hamdrahn wanns mi so derwischt wie leben sprechen diese kranken nah dem tode sie reden gscheit und deppert so wie immer […] wer arschloch war bleibts bis zum letzten pfaucher wer leiwand war der ist es bis zum ende die depperte gewohnheit die depperte gewohnheit
 gern im bett zu schreiben
 rest aus der zeit wo mir kein eckerl eigen
 kein tisch kein kastl – gar kein ruheort
 jetzt ist die wohnung vollgestopft
 mit büchern und mit kleidern
 zum teil in säcken schachteln koffern
 so wiederhole ich die zeit der flucht
 die zeit der armut
 in der s nicht üblich war was wegzuschmeissen
 mit angst und krankheit falsch (meschugge)
 umzugehen
 hab ich noch immer nicht so ganz verlernt
 als würde einer jahrelang noch weitertrippeln
 nachdem die fesseln von den füssen
 längst ihm abgenommen ■■ Erörtern Sie, welchen regionalen österreichi­ schen Dialekt Gerstl gebraucht, und „übertra­ gen“ Sie Ausdrücke wie „hinstraat“, „muffn“, „leiwand“, „hamdrahn“, „meschugge“, „pfaucher“ in die Standardsprache und in Ihre Mundart. ■■ Stellen Sie dar, was außerdem für Gerstls Sprache kennzeichnend ist. ■■ Erläutern Sie, welches der beiden Gedichte auf Gerstls schwierige Vergangenheit Bezug nimmt und wie sich diese Vergangenheit auf Gerstls Gegenwart auswirkt. ■■ Geben Sie die letzten zwei Zeilen des ersten Gedichts in eigenen Worten wieder. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 2 4 6 8 10 12 14 16 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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