Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

435 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt Professor an einem kirchlichen Gymnasium, Latein. Und Vizebürgermeister und Müllkapo im Gemein- derat. Ein natürlicher Feind sozusagen, um mit dem guten alten Darwin zu sprechen. Ohne eine seiner für ihn typischen Krawatten sieht er irgendwie aus, als hätte man ihn vom Strick geschnitten. Er ist kein Ersatz für Papa, an den ich mich lange Zeit nicht erinnern konnte. Seit meinem Unfall aber taucht er immer wieder auf. Wie in einem Traum, den ich mit offenen Augen träume. Ist das bloß eingebildet oder wirklich? Ich weiß nur, dass irgendwas passiert ist, das man vor mir verbergen musste. Ab und zu denke ich an die Zeit, als ich noch ein Kind war. Dann dreht sich alles in meinem Kopf wie Dreck, der in den Abfluss wirbelt, und ich muss meine AKG aufsetzen und einen Song hören, um klarzukommen. Als ich nach einer Zeit in der Ewigkeit aus dem Koma erwacht bin, haben mir Weißkittel eingebläut, ich müsse meine Festplatte schonen, wenn ich gesund werden wolle. Sicher ist nur, dass fast nichts mehr ist, wie es war. Die Welt hat einen Riss, durch den ich Dinge wahrnehme, die ich kaum glauben kann. Soll ich mit Papa Kontakt aufnehmen? Richard und Mama haben vor Jahren alle Wege vermint, die zu ihm führen, aber jetzt könnte ich es auf eigene Faust versuchen. Mittlerweile hab ich ja Sachen von ihm und über ihn im Internet entdeckt. Ritschi macht das runter und warnt mich davor, nach ihm zu suchen. Als wäre Papa eine Gefahr für mich. […] Als ich mich über Ritschis Verbot hinweggesetzt habe und mit Herbert und Mario klettern gegangen bin, hat sich die Welt verwandelt. Plötzlich war da eine andere Perspektive. Nichts war mehr nur flach und öd wie vorher. Sich über den Grund zu erheben und gegen die Schwerkraft nach oben zu streben, das hat uns Flügel verliehen. In die dritte Dimension vorzudringen, die mir bis dahin fremd war. In nur einer Saison sind wir alle Schwierigkeitsgrade geklettert, haben unsere Hausberge verunsichert und uns Nüsse um das geschert, was manche Silberrü- cken im Alpenverein noch propagieren. Eine Schule des Kletterns, die nichts mit meinem Superhelden zu tun hat: Paul Preuß, der neue Wege gegangen ist, und das wortwörtlich. Und zwar damals, als es mehr und mehr zum Problem wurde, Jude zu sein. Der dann (zu seinem Glück?) abgestürzt ist, bevor sie ihn irgendwann in die Finger gekriegt hätten, später, als der Alpenverein nach judenfreien Bergen verlangt hat. Paul Preuß, Pionier und Magier des Freiklet- terns. Im Sommer Touren mit nichts als Kletterpat- schen am Körper, aus reiner Lust am Freisein. Der in seinen Schriften verlangt hat, man müsse absteigen, wie man aufgestiegen ist. Wenn ich diesen Anspruch auf Symmetrie auch (noch!) nicht ganz verstehe, so trägt er seine Wahrheit irgendwie in sich. Man erhebt sich über den Berg, um seine Spuren beim Abstieg auszulöschen. Um die Anmaßung rückgängig zu machen! […] Und nun die heutige Preisfrage: Was ist der Klang einer [klatschenden] Hand? Fast jede Antwort, das kann ich euch sagen, Leute, tritt eine Menge Fragen los! ■■ Beschreiben Sie den Erziehungsstil von Finns Mutter, untersuchen Sie, wie Finn seinen Stiefvater „Ritschi” sieht, und beschreiben Sie dessen öffentliche Funktionen. ■■ Erläutern Sie Finns Bemerkung über seinen Wohnort, erschließen Sie dazu den Begriff Omertà. ■■ Bestimmen Sie die Stellen, an denen Finn von seinem Bergunfall spricht, und stellen Sie die Folgen dieses Unfalls für Finn dar. ■■ Analysieren Sie die Bedeutung, die das Klettern für Finn hat, und erschließen Sie, zum Beispiel anhand von Internetrecherchen, die Persönlichkeit und Bedeutung von Paul Preuß. Diskutieren Sie Preuß’ Forderung, man müsse für den Abstieg denselben Weg nehmen wie für den Aufstieg, und deren Verständnis durch Finn. ■■ Diskutieren Sie Finns Abschluss-Koan-„Preis­ frage”. Der Camorra-Müll Neapel erstickt im Müll. Am Müll verdient die Camorra. Was tun, da schon die „Fische mit den Bäuchen nach oben“ schwimmen? 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 100 102 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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