Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
429 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt wegen der wunderschön gefärbten Zehennägel von Lotte und der kleinen Narbe auf ihrem Knie. Fünfmal die Woche kommt er von nun an zur Theatergruppe: „Und jedes Mal hatte ich ein oder zwei kleine gelbe Heftchen bei mir.“ Mit Tschechow beginnt er seine Dramenlektüre. Er setzt fort mit Gogol, Bulgakow, Ostrowskij, Gorki. Dann der Sprung „über den großen Teich“: O’Neill, Williams, Miller … Dann die Skandinavier: Strindberg, Ibsen. […] „Nach einem Ausflug zu den Schweizern (akkurat, unbestechlich, etwas morali- sierend) und den Österreichern (durchgedreht, witzig, hasszerfressen) landete ich bei den alten Griechen. Bei denen ging es richtig zur Sache. Da wurde nicht lange geredet, da schlug man sich lieber gleich die Köpfe ein. […] Jetzt kam Goethe. Starker Dichter, doch vom Theater hatte er offenbar nicht so viel Ahnung. Faust I hatte ja noch Sub- stanz. Doktor, Teufel, Gretchen uns so weiter. Aber schon Faust II war nur noch ein wildes Durchei nanderwürfeln von allen möglichen Figuren. Goethes Kumpel Schiller hatte die Geschehnisse insgesamt besser im Griff. Alles sehr deutsch. Große Liebe. Große Helden. Großes Geschrei. Ich blieb noch eine Weile in Deutschland: Büchner, Lessing, Hauptmann, Kleist. Und vor allem Brecht […] Es gab alles. Die ganze Welt in ihrem bunten Irrsinn tummelte sich zwischen den Seiten dieser gelben Heftchen. Eines Tages griff ich zu meinem ersten Shakespeare. Aus irgendwelchen Gründen hatte ich mir den alten Engländer bislang aufgespart. Aber jetzt war er dran. […] Ich holte Was ihr wollt hervor und begann zu lesen. Und schon nach fünf Seiten war alles klar. Dieser Shakespeare war der Beste. Besser sogar noch als die alten Griechen. […] Das letzte Stück war Antonius und Cleopatra . Die größte, traurigste und unerhörteste Liebesgeschichte der Welt. Als ich damit fertig war, weinte ich zehn Minuten lang. ■■ Folgen Sie einzelnen, Ihnen „verlockend“ erscheinenden Leseschritten: Erschließen Sie nach Ihrer Wahl einzelne der erwähnten Autoren und ihre Werke, ihre Zugehörigkeit zu literarischen Strömungen und Epochen, ihre dominierenden Themen. ■■ Beschreiben Sie Inhalt, Personen, Intention von „Die Möwe“, „Was ihr wollt“, „Antonius und Cleopatra“. ■■ Nehmen Sie – auch anhand Ihrer in den „Literaturräumen“ erworbenen Kenntnisse – Stellung zur Meinung, die der Ich-Erzähler zum Beispiel zu Goethe, Schiller, den schwei zerischen und österreichischen Dramen autoren hat. Ermunterung, über die nächsten „Sprünge“ mehr zu erfahren Lesen Sie das Buch, erfahren Sie mehr über die nächs ten (und auch schon frühere) Sprünge. Es lohnt sich offenbar, wie Leserinnen und Leser meinen: – – Robert Seethaler hat einen Roman geschrieben für Provinzfriseure, Pubertätsverlierer und Theaternerds, einen guten Roman, weil er sie so liebevoll und zärtlich schildert, dass alle anderen mitseufzen können. – – Mit einem Buch und einem Autor ist es manchmal wie im richtigen Leben. Schon beim ersten Treffen ist man hin und weg, verknallt sich in die Art, wie einer seine Geschichte erzählt, Kino im Kopf von der ersten Seite an. – – Was der Autor hier in nur 300 Seiten gepackt hat, vom Erwachsenwerden, vom Leben, vom Schau spielern, vom Theater und der Liebe macht einfach Spaß beim Lesen. – – Zwei Worte genügen: sehr empfehlenswert! 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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