Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
417 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt gefärbte oberste Bodenschicht gewendet, jahrzehnte- lang den Boden durchlüftet hast […]. Irgendwann waren die stierblutrot angemalten Schare des Pfluges abgewetzt durch die schneidigen Globocnik-Kno- chen und glänzten und blinkten silbern in der Sonne […] Nur am obersten Teil deiner stolzen Pflugscha- ren konnte man noch als glorreiche stierblutrote Sonnenuntergangsflecken den vom Pflügen der Erde und von den spießigen Knochen der Globocnik-Überreste unberührten Lack sehen. ■■ Fassen Sie den Inhalt der beiden Abschnitte zusammen. ■■ Deuten Sie die einleitende Anredeformel. ■■ Beschreiben Sie Winklers Sprache, Stilmittel, Satzbau. Setzen Sie diese Charakteristika in Beziehung zum Thema und erläutern Sie, welche „Stimmung“ des Autors sich in seiner Sprache zeigt. ■■ Interpretieren und beurteilen Sie Winklers Empörung über das Schweigen zu den „Sautratten“. 12 „Erika weiß die Richtung, in die sie gehen muss.“ Elfriede Jelinek: „Die Klavierspielerin“ (1983) Peepshows statt Beziehung Die 36-jährige Klavierlehrerin Erika Kohut lebt in der Wiener Josefstadt. Der Vater wurde ins Irrenhaus abge schoben, in der Familie herrscht die Mutter. Ihre Erzie hungsmethoden sind Dressur und Terror. Wenn Erika nach Hause kommt, lauert ihr die Mutter auf, quetscht sie aus. Das Ziel: Die Tochter soll als Eigentum der Mut ter deren Lebensenttäuschungen kompensieren. Das Ergebnis: Erika kann mit den Menschen nur nach dem Prinzip von Macht und Unterwerfung verkehren. Sie ist unfähig, Gefühle zu zeigen, und versteckt sich hinter der Fassade der strengen Klavierlehrerin. Erika erlebt Sexua lität nur in Peepshows und masochistischen Selbstver stümmelungen. Walter Klemmer, einer ihrer Schüler, setzt sich in den Kopf, sie zu verführen. Erika kann ihre Sexualität nur als Verlangen nach Bestrafung artikulie ren, hofft aber eigentlich, Klemmer würde ihre Einla dung zu sadistischer Betätigung aus Liebe ausschlagen. Doch Klemmer versteht nicht, dass Erikas Masochismus ihre Form der Suche nach Zuneigung ist, und vergewal tigt sie. Der Schluss des Romans: Am Tag nach der Ver gewaltigung geht Erika Kohut, von Jelinek abwechselnd als „die Frau“ und „Erika“ dargestellt, zur Technischen Universität, wo Klemmer studiert. Sie hat ein Messer in der Handtasche. Ihr warmes Messer in ihrer Tasche umklammert Erika und geht durch Straßen zu Fuß in Richtung ihres Ziels. Sie bietet einen ungewohnten Anblick, wie dazu gemacht, Menschen zu fliehen. Die Leute scheuen sich nicht zu starren. Sie machen im Umdrehen Bemerkungen. Sie schämen sich nicht ihrer Meinung über die Frau, sie sprechen sie aus. In ihrem unentschlossenen Halbminikleid wächst Erika zu voller Höhe empor, mit Jugend in scharfen 116 118 120 122 124 Aufgabe Porträt Elfriede Jelinek, Foto, 2004 2 4 6 8 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=