Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

410 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt vor allem die Angst habe ich fast nicht mehr ausge- halten. Und auf einmal ist meine richtige Mutter ge- kommen, ich habe sofort gewusst, dass es meine richtige Mutter ist, ich habe es einfach gespürt. Sie hat so schön ausgeschaut, und sie hat sich neben mich gesetzt und mich gestreichelt und zu mir ge- sagt: Mein kleiner Liebling. Ich habe gewusst, sie wird mich beschützen, wenn die Hexe noch mal kommt. Und dann ist wirklich die Hexe noch ein- mal gekommen, und meine Mutter ist auf sie zuge- gangen, um sie wegzujagen. Ich bin in die hinterste Ecke von der Hütte gerutscht, bis ich hinten ange- standen bin. Die Hexe legt ihre grausigen Hände um den Hals meiner Mutter und fängt an sie zu würgen, dabei lacht sie wieder laut und wild. In dem Mo- ment bin ich jedes Mal aufgewacht und habe schwer Luft gekriegt, weil es in der Brust so eng gewesen ist. ■■ Fassen Sie den ständig wiederkehrenden Kindheitstraum Alexanders zusammen. ■■ Analysieren Sie den Traum. Die Realität und die Wunschwelt Alexander, der von den Pflegeeltern zuvor schon ge­ genüber den Töchtern grob benachteiligt wurde, wird ab der Geburt von Andreas wie ein „Knecht“ behan­ delt. Die Suche nach seiner Mutter beginnt. Alexander zimmert sich ein Bild von ihr, macht sie zur Identifika­ tionsfigur für sich und projiziert auf sie ein Ausbre­ chen aus seinem bisherigen Leben. /Ausschnitt aus einem Therapiegespräch im Jänner 1990 zwischen „Dr. Z.“ und Alexander/ Ich habe mir eine Traumwelt aufgebaut. Ich habe ständig vor mich hin geträumt, während der Arbeit und eigentlich immer. Ich habe von meinem Leben danach geträumt, von meinem Besuch bei meiner Mutter in Neuseeland. Wie wir gemeinsam am Strand spazieren gehen und gemeinsam Figuren töpfern und Bücher schreiben. Ich werde ein berühmter Künstler und treffe eine wunderschöne Frau. Manchmal bin ich kein Künstler gewesen, sondern ein Held, der vie- len Menschen das Leben rettet, dann wieder ein be- rühmter Forscher und Wissenschaftler oder ein rei- cher Unternehmer. Dann habe ich auch andere Sachen vor mich hin ge- träumt. Wie es gewesen wäre, wenn sie nicht ausge- wandert und ich bei ihr in der Stadt aufgewachsen wäre, den ganzen Tagesablauf habe ich mir mit ihr vorgestellt, als kleiner Volksschulbub. Wie meine Kindheit verlaufen hätte können, das habe ich mir immer wieder vorgestellt, und wie ich dann gewor- den wäre. Wäre ich anders als ich jetzt bin? Das habe ich mich so oft gefragt. Ich habe mir jede Szene so genau vorgestellt, ich habe sie in meinen Gedanken immer wieder durchgespielt. Dass sie mich zur Schule bringt und wieder abholt und dabei jedes Mal umarmt und küsst. Sie macht mit mir die Hausübung, wir spielen miteinander, wir gehen spazieren, wir fahren zusammen mit dem Fahrrad. Später geh ich ins Gymnasium und bin Klassenbester und wir diskutieren über Bücher und wir gehen ins Theater. Ich bin immer gut angezogen, cool und selbstbewusst, alle mögen mich. Ich lerne ein hübsches Mädchen kennen und meine Mutter ist zu ihr sehr freundlich. Ich weiß, es ist kindisch. Ein Vater ist nie in meinen Träumen vorgekommen. Ich weiß nicht wieso. Analysieren und deuten Sie Alexanders neue „Traumwelt“. Aber es kommt ganz anders … Mit seinem Älterwerden intensivieren sich Alexan­ ders Nachforschungen. Zunächst führen sie ihn nach Innsbruck und dort, ganz anders als in seinen Wunschvorstellungen, in eine verwahrloste Wohnung und zu schlechter Nachrede über seine reale Mutter. Doch das ist nichts gegenüber Erfahrungen und Ent­ deckungen, als Alexander auf das wahre Verschwin­ den seiner Mutter stößt und auf die Geschichte eines grauenvollen Verbrechens. Vater Sommer hat damit zu tun … 36 38 40 42 44 46 48 50 52 Aufgabe 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=