Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

41 Hochmittelalter (1170–1250) Das Weib Ein starkes soziales Absinken im Laufe der Sprachge­ schichte erfährt der Begriff Weib . Während Walther von der Vogelweide seinen Lobpreis auf die Schönheit der Frauen mit den Worten „recht als die engel sint diu wîp getân“ ausdrücken konnte und verkündete: „wîp dêst ein name ders alle krœnet – ,Weib‘ ist ein Name, der alle krönt“ –, wäre eine solche Verwendung des Wortes Weib heute sehr unhöflich. Magd/Mädchen, Dirne/Dirnderl Auch diese Begriffe haben im Lauf der Geschichte an sozialem Wert verloren. Eine „wolgetâne maget“ ist im Mittelalter ein schönes Mädchen , die heutige Magd ist ein Dienstbote. Nur die Verkleinerungsform Mädchen bezeichnet keinen sozialen Stand. Ähnlich verläuft die Entwicklung von Dirne . Auch dieses Wort bedeutete ursprünglich Jungfrau und sank zu Dienerin und später auch zum Synonym für Prostituierte herab. Auch in diesem Fall ist die Verkleinerungsform Dirnd(er)l ohne abwertenden Charakter. Die Dame Das deutsche Wort Dame leitet sich ab vom lateini­ schen domina , der Herrin des Hauses, und gelangt im 17. Jahrhundert über das Französische ins Deutsche. Herr, Mann, Bub, Knabe, Junge Herr leitet sich ab vom althochdeutschen „heriro“, der zweiten Steigerungsstufe des Adjektivs „hêr“ – vor- nehm , erhaben . Der Junge stammt von Junker ab, was den Sohn von Adeligen bezeichnete. Eine sozial ähn­ lich hochstehende Bezeichnung bildet die Grundlage für den Knaben . Dieser Begriff kommt von Knappe und meinte ein männliches Kind in der Ritterausbildung. Einzig Bub und Bursche weisen nicht auf eine soziale Auszeichnung hin. Bub kommt von einem germani­ schen Wort *boban , einer Koseform für das männliche Kind. Bursche stammt vom spätlateinischen Wort bur- sa , was Geldbeutel bedeutet. Junge ist verkürzt aus junger Mann . Auf den Punkt gebracht: Die Literatur des Hochmittelalters ■■ Eine neue Gesellschaftsschicht bestimmt die Literatur: die Ritter. Ihr Ideal sind die Grundsätze des ritterlichen Tugendsystems: êre , mâze , triuwe , hôher muot . ■■ Die Motive der Epen Hartmanns von Aue und von Wolfram von Eschenbachs „Parzival“: Der Ritter muss sich in der Gesellschaft und vor Gott bewähren; wer den Tugendlehren folgt, dem gelingt schlussendlich trotz Fehlern das Leben. ■■ Gottfried von Straßburgs „Tristan“ enthält eine radikale Botschaft: Die unbedingte Liebe steht über den gesellschaftlichen Regeln. Die Fortset­ zer des unvollendeten Werks „bestrafen“ Tristan und Isolde. ■■ Der frühe donauländische Minnesang (Dietmar von Aist, Der von Kürenberg) besingt die erfüllte Liebe und konkretes Trauern und fügt oft „Frauenstrophen“ in die Lieder ein. ■■ Die verschiedenen Auffassungen von Minne bei Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide machen beide ebenso zu Kontra­ henten wie das Ringen um eine gesicherte Stellung als Dichter am Wiener Hof. Für Reinmar ist Minne ein formales Spiel. Sein Konkurrent Walther definiert in seinen „Mädchenliedern“ Minne als gegenseitige Zuneigung. ■■ Die politische Spruchdichtung Walthers von der Vogelweide entsteht aus der Sorge um das Reich und um die persönliche Existenz des auf „Sponsoren“ angewiesenen Dichters. ■■ Das Nibelungenlied führt den Sagenstoff um Siegfried und den Untergang des Burgunderrei­ ches in der Völkerwanderungszeit zusammen. Im Gegensatz zur höfischen Epik zeigt das Nibelun­ genlied kein gelingendes Leben, sondern Mord, Rache, Vernichtung. Die Form ist die durch eine Mittelzäsur unterteilte Langstrophe. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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