Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
403 Gegenwartsliteratur – mit Österreichschwerpunkt Pfarrer: … aber wirklich. Ich zitier die halbe Bibel, und Gottes Wort geht diesem Landvolk beim einen Ohr rein und beim anderen wieder hinaus. Macht euch die Erde untertan, wie oft soll ichs denn noch sagen. Bauer: Müssens schon entschuldigen, uns sind die heiligen Wörter net so geläufig. Doktor: Fragens ihn, Herr Pfarrer, ob ihm die Landwirtschaft, Milchgewinnung, Sauschlachten und so … geläufig is. Bauer: Da kann mir keiner was dreinreden. Pfarrer: Niemand will ihm was dreinreden, mein Sohn. Jeder nach seinen Gaben. Gott segne unser Landvolk! Bäuerin: Mit dem hochwürdigen Segen kann nix mehr schiefgehen. (Valentin grunzt.) Doktor: Zeigens uns, was Sie von der Landwirt- schaft verstehen, Tonhofbauer! Nicht jeder Bauer is auch ein guter Fleischhauer … Bauer: Wenns von die Herren gewünscht wird, leg i euch a erstklassige Schlachtung hin! Lehrer: Lass auf der Worte Klang die harten Taten folgen. Unsere Altmeister haben ja wirklich schon alles gesagt. […] Rechtsanwalt: Schaffens uns diese rechtswidrige Erscheinung vom Hals, Bauer. Pfarrer: Gottes Geschöpfe sind vielfältig. Es gibt solche und solche. Knecht: Was wiegts, das hats. (Bauer, Knecht und Franz beginnen Valentin hinauszuschleifen. Valentin grunzt.) Bauer: Was wirds denn wiegen, das Viech? Speck is ja grad net viel oben, aber dafür gut durchzogen. Franz: Da sind einige Schmalzbrot drin. Resi: I freu mich schon auf a dicke Blunzen. Franz: I steh auf Sauschädel mit Kren. Knecht: Zuerst wird die Leber gfressen. Wer das Kleine net ehrt, is das Große net wert. Bäuerin: Wirds wohl noch erwarten können, bis die Sach am Tisch steht. (Der Pfarrer, der Lehrer, der Arzt und der Rechts- anwalt blicken der abziehenden Bauernfamilie nach. Valentin wird in den Hof geschleift. Die Türe der Bauernstube bleibt offen, sie gibt den Blick auf einen Teil des Hofes frei. Stille. Die Honoratioren des Dorfes verharren bewegungslos.) Die eigentliche Schlachtung findet draußen im Hofe statt. Sie wird vom Publikum gehört, aber nicht gesehen […]. Das Ende des Sauschlachtens Das Stück endet mit einer Bühnenanweisung und ei ner kurzen Wortmeldung der Bäuerin: (Ende der Schlachtszene. Die Honoratioren haben die Bühne verlassen. Die Bühne ist leer, wie zu Beginn des Stückes. Die Lichtverhältnisse sind wie zu Beginn des Stückes. Stille. Es läuten die Mittags- glocken, wie zu Beginn des Stückes. Die Bäuerin betritt die Bühne, wie zu Beginn des Stückes.) Bäuerin: Hörts net Zwölfeläuten? Kommts essen, es is angricht. Der Schweinsbraten is a schon fertig. (Der Vorhang fällt, und die Zuschauer verlassen den Saal. Oder: Der Vorhang fällt nicht, und die Schauspieler essen solange Schweinsbraten, bis die Zuschauer den Saal verlassen.) Fassen Sie in einem Stichwortzettel die „Be gründungen“ der Vertreter der Öffentlichkeit zusammen, mit denen sie Valentin zur „Sau“ machen! 4 „Schwer aushaltbar sind Schwabs Texte allemal!“ Werner Schwab: „Volksvernichtung. Eine Radikalkomödie“ (1991) Fäkaliendramen Für die 1991 erschienene erste Sammlung seiner Dra men wählt Werner Schwab eine ungewöhnliche Be zeichnung: „Fäkaliendramen“. Die handelnden Perso nen sind Kleinbürger, die sich selbst und den anderen das Leben zur Hölle machen: Mord, Vergiftung, Unter drückung jeder Individualität, sexuelle Ausbeutung, Al koholismus bestimmen die immer in der Katastrophe 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 2 4 6 8 10 12 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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