Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
380 Literatur zwischen 1945 und 1968 Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends wir trinken und trinken ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith 20 22 24 26 28 30 32 34 36 Wer ist Paul Celan Geboren wurde Paul Celan 1920 als Paul Ancel (Na mensänderung auf Celan 1947 als Anagramm zu An cel) als Kind deutschsprachiger Juden im bis 1918 habsburgischen, 1920 rumänischen und seit 1991 uk rainischen Czernowitz, einer Stadt mit einer damals „multikulturellen“ Bevölkerung aus Juden, Deutschen, Rumänen, Ukrainern und Polen. 1941 wurde die Stadt durch deutsche Truppen besetzt, ein jüdisches Ghetto errichtet. Celan wurde zur Zwangsarbeit verurteilt, seine Eltern wurden deportiert. Der Vater starb 1942 an Typhus, die Mutter wurde durch Genickschuss ge tötet. 1944 kann Celan aus dem Arbeitslager nach Czernowitz zurückkehren. Nach Kriegsende veröffent licht er erste Gedichte. 1947 verlässt er das von der stalinistischen Diktatur geprägte Rumänien und geht nach Wien, wo er Ingeborg Bachmann kennenlernt, mit der ihn bis 1967 ein Briefwechsel eng verbindet. Ab Juli 1948 findet er seine „Heimat“ in Paris, wo er als Deutschlektor, exzellenter Übersetzer (z. B. Baude laire, Rimbaud, Shakespeare) und Autor tätig ist. Im April 1970 stürzt er sich in die Seine. Was ist eine Fuge Die „Fuge“ ist ein Begriff aus der Musik. Ein musikali sches Thema wird von verschiedenen Stimmen (In strumenten/Instrumentengruppen) zeitlich versetzt wiederholt. Sie wirkt auf diese Weise wie ein musika lisches Gespräch, bei der drei oder mehr Personen ein oder zwei musikalische Themen besprechen. Sie er hielt ihren Namen nach dem Lateinischen „fuga“, das Flucht, Weglaufen bedeutet. In einer Fuge flieht ge wissermaßen das Thema von einer Stimme zur ande ren. Manchmal fehlt es den Stimmen an Höflichkeit; statt zu warten, bis eine Stimme ihr ganzes Thema vorgebracht hat, fallen sie früher ein und die Stimmen türmen sich aufeinander. Ruhepunkte kennt die Fuge nicht. Woher kommt die „schwarze Milch der Frühe“ Zu Herkunft und Deutung dieser Metapher gibt es ver schiedene Untersuchungen. Eine davon leitet die Me tapher von einem jüdischen Sprichwort ab, das be sagt, dass – wenn alle Menschen in Unglück leben – zumindest eine Person namens Mordechai Meisel in der „weißen Milch der Frühe“ badet. Diese Person soll durch dieses Sprichwort als der vollkommene Glücks pilz charakterisiert werden. Die Metapher „schwarze Milch der Frühe“ kann so als Darstellung der vollkom menen Hoffnungslosigkeit begriffen werden, da selbst der ansonsten so glückliche Mordechai Meisel nicht mehr in der weißen Milch der Frühe baden kann. Die Verwandlung von Weiß zu Schwarz als Metapher für Trauer, Tod, Zerstörung erscheint aber auch im Alten Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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