Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
374 Literatur zwischen 1945 und 1968 Tatsächlich scheint oft Wissen aus zweiter Hand unser unmittelbar angeeignetes Wissen zu dominieren. Diskutieren Sie in diesem Zusam menhang darüber, was Sie an Persönlichem über einen zurzeit berühmten Musik-, Fernseh- oder Sportstar und was Sie im Vergleich dazu über die Menschen wissen, denen Sie täglich begegnen. „Homo faber“ beginnt im Krankenhaus Walter Faber wartet auf seine Krebsoperation. Tage buchartig, wie Stiller, reflektiert er sein Leben. Aber während Stiller vor der Berechenbarkeit des Lebens flieht, ist Faber von der Planbarkeit des Lebens über zeugt. Vor Zufall und Schicksal fühlt er sich sicher. Für ihn als Techniker ist die Welt weder geheimnisvoll noch unklar. Das gibt ihm Halt: Stimmungen, Gefühle, Schwärmerei, Naturschönheit sind für Faber nichts: „Ich bin Techniker und gewohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Und sehe den Mond über der Wüste […] – kla- rer als je, mag sein, aber eine errechenbare Masse, die um unseren Planeten kreist, eine Sache der Gravitation, interessant, aber wieso ein Erlebnis?“ Fabers Erschütterung Doch da lernt er, fünfzigjährig, Sabeth, eine junge Frau, kennen, mit der er auf einer Reise ein Liebesverhältnis beginnt. Es ist seine Tochter, von deren Existenz er nichts weiß, da er mit seiner ehemaligen Braut Hanna die Abtreibung des Kindes beschlossen hatte. Eine Stelle als Techniker in Bagdad schien ihm damals zu verlockend: „Ich lebe, wie jeder wirkliche Mann, in der Arbeit.“ Die Erzählungen der jungen Frau lassen Fa bers Vaterschaft für ihn immer wahrscheinlicher wer den und auch das „Hanna-Mädchen-Gesicht“ Sabeths ist ein Indiz. Faber jedoch manipuliert seine Berech nungen, ob Sabeth seine Tochter sein könnte, bis er von der Unmöglichkeit überzeugt ist: „Ich rechnete im Stillen pausenlos, bis die Rechnung aufging, wie ich sie wollte: Sie konnte nur das Kind von Joachim sein! Wie ich’s rechnete, weiß ich nicht; ich legte mir die Daten zurecht, bis die Rechnung wirklich stimmte, die Rech- nung als solche.“ Fortpflanzung und Kinder sind für Faber zu wenig be rechenbar und angsterfüllt: „Überhaupt diese Fort pflanzerei, überall, es stinkt nach Fruchtbarkeit.“ Sa beth verunglückt auf der Reise mit Faber nach Grie chenland tödlich. Sie stürzt, von einer Giftschlange gebissen, über eine Böschung. Hanna bestätigt Faber, dass Sabeth ihr gemeinsames Kind ist. Fabers neue Einsicht: Das Leben ist nicht berechenbar: Diskussion mit Hanna! – über Technik (laut Hanna) als Kniff, die Welt so einzurichten, dass wir sie nicht erleben müssen. Manie des Technikers, die Schöp- fung nutzbar zu machen, weil er sie als Partner nicht aushält, nichts mit ihr anfangen kann; Technik als Kniff, die Welt als Widerstand aus der Welt zu schaffen, beispielsweise durch Tempo zu verdünnen, damit wir sie nicht erleben müssen. (Was Hanna damit meint, weiß ich nicht.) […] Mein Irrtum: dass wir Techniker versuchen, ohne den Tod zu leben. Wörtlich: […] Leben ist nicht Stoff, nicht mit Technik zu bewältigen. Mein Irrtum mit Sabeth: […] ich habe mich so verhalten, als gäbe es kein Alter, daher widernatürlich. Wir können nicht das Alter aufheben, indem wir weiter addieren, indem wir unsere eigenen Kinder heiraten. ■■ Fassen Sie in eigenen Worten Hannas Kritik und Fabers Einsicht zusammen! ■■ Schreiben Sie in freier Form einen Text zum Thema „Letztens, als ich mich schön getäuscht habe mit meinem Glauben, dass ich alles planmäßig im Griff hätte …“! Aufgabe Szene aus der Verfilmung von „Homo faber“, 1991 2 4 6 8 10 12 14 16 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=