Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
349 Das Fundament Mahnung an die Vergangenheit und Warnung vor neuen Bedrohungen 8. Mai 1945: Kriegsende, die Tragödie wird sichtbar Als die „größte materielle und moralische Katastrophe unserer Geschichte“ bezeichnete der Philosoph Alexan der Mitscherlich den Zweiten Weltkrieg für Deutsch land. Das NS-Regime hat ganz Europa und viele Teile der Welt in eine Tragödie gestürzt. 55 Millionen Tote sind zu beklagen, darunter allein sechs Millionen Op fer in den NS-Vernichtungslagern. Mehr als zehn Mil lionen Menschen werden vertrieben und warten als Flüchtlinge auf eine neue Heimat. Zwölf Millionen Deutsche und Österreicher sind in Kriegsgefangen schaft, fast alle größeren Städte Deutschlands und viele industrielle Zentren Österreichs sind durch Bom bardierungen zerstört, 40% der Wohnungen verloren. „It looks like Pompei“ , so fasst ein amerikanischer Sol dat seinen Eindruck beim Betreten einer deutschen Großstadt zusammen. Der Autor Heinrich Böll sah je den ums nackte Leben kämpfen: „Jeder hätte jeden mit Recht des Diebstahls bezichtigen können. Wer in einer zerstörten Großstadt nicht erfror, musste sein Holz oder seine Kohlen gestohlen haben, und wer nicht verhun- gerte, musste auf irgendeine gesetzeswidrige Weise sich Nahrung verschafft haben.“ Befreiung und Angst Vor diesem Hintergrund wurde das Kriegsende nicht von allen Menschen gleich interpretiert. Natürlich überwog das Gefühl der Erleichterung über das Ende der NS-Herrschaft. Andererseits herrschten Angst um die vermissten Angehörigen und Ungewissheit, ob die Befreiung Hoffnung für einen Neuanfang geben konn te und wie das alltägliche Leben bewältigbar sei. Der Schweizer Autor Max Frisch, der Deutschland 1946 be suchte, berichtet in seinen Tagebüchern, das Land ma che auf ihn einen Eindruck wie ein „Schachbrett hell- lichter Verzweiflung, Menschen, Wäsche, Kinder, Sta- cheldraht“ . Zwei deutsche Autoren drücken diese am bivalente Stimmung präzise aus. Erich Kästner schreibt kurz vor Kriegsende in sein Tagebuch: „Das Dritte Reich bringt sich um. Doch die Leiche heißt Deutschland.“ Thomas Mann appelliert in einer Rund funkansprache zwei Tage nach Kriegsende: „Ich sage: es ist trotz allem eine große Stunde, die Rückkehr Deutschlands zur Menschlichkeit.“ Ernst Jandl: Markierung einer Wende 1944 1945 krieg krieg krieg krieg krieg krieg krieg krieg krieg mai krieg krieg krieg krieg krieg krieg 2 4 6 8 10 12 1945 Neubeginn der Literatur nach Zensur und Verfolgung; Versuch, das Trauma von Diktatur und Zweitem Weltkrieg zu verarbeiten („Kahlschlaglitera- tur“); Frage, wie Kunst nach Auschwitz überhaupt das Grauen darstellen kann und darf. 1968 Mit den Studentenunruhen in Frankreich und Deutschland erreicht die kritische Literatur ihren Höhepunkt; sie mischt sich offensiv in die öffentliche Diskussion ein und sieht ihre primäre Funktion in direkter politischer Wirkung. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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