Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

335 Literatur zwischen 1925 und 1945 ■■ Analysieren Sie, welches leitmotivische Schlüsselwort den Zusammenbruch von Trottas Welt schildert und welche Metaphern und Bilder die Stimmung des Untergangs verdeutlichen. ■■ Erläutern Sie, wozu der relativ ausführliche Wetterbericht dient. Die Auslöschung der Republik Es ist das Jahr 1938. Die Nationalsozialisten okkupieren Österreich. Im Stammcafé, aus dem bei dieser Nach­ richt die letzten Freunde Hals über Kopf aufbrechen, bleibt Franz Ferdinand von Trotta allein zurück. Die Rollbalken fallen: „Ich war ausgeschaltet; ausgeschal- tet war ich. Ausgeschaltet unter den Lebendigen be- deutet so etwas Ähnliches wie: exterritorial. Ein Exterri- torialer war ich eben unter den Lebenden.“ 9 „Ich beschloss, mein Leben der Erforschung der Masse zu widmen.“ Elias Canetti: „Masse und Macht“ (begonnen 1925, veröffentlicht 1960) Eine lebenslange Beschäftigung mit der Masse Den ersten starken Eindruck von Massen bekam Canetti als Kind beim Erscheinen des Halleyschen Kometen über seinem Heimatort Rustschuk im heutigen Bulgari­ en. Der ganze Ort versammelte sich, um den Kometen zu beobachten, „niemand wurde es müde und die Men- schen standen weiter dicht beisammen. Ich sehe weder Vater noch Mutter dabei, ich sehe niemand von denen, die mein Leben ausmachten, vereinzelt. Ich sehe sie nur alle zusammen, und wenn ich das Wort nicht später so häufig gebraucht hätte, würde ich sagen, ich sehe sie als Masse: eine stockende Masse der Erwartung.“ Massen überall Als Canetti mit seiner Familie 1911 nach Manchester übersiedelte, wurde er Zeuge von Massenemotionen nach dem Untergang der „Titanic“. Ähnliche Mas­ sen-Eindrücke hatte Canetti dann in Wien, als er 1914 die Begeisterung über den Ausbruch des Krieges mit­ erlebte. In Wien fasste Canetti die ersten Gedanken, ein Werk über die Masse zu schreiben. „Es war wie eine Erleuchtung. Ich beschloss, mein Leben der Erforschung der Masse zu widmen. Ich war von diesem Gedanken wie besessen, nichts vermochte mich davon abzubrin- gen.“ Ein bestimmendes Erlebnis in diese Richtung war für Canetti der 15. Juli 1927, als nach einer Demon­ stration der Wiener Justizpalast brannte. Canetti, Teil­ nehmer an der Demonstration, erinnert sich: „Ich wur- de zu einem Teil der Masse, ich ging vollkommen in ihr auf, ich spürte nicht den leisesten Widerstand gegen das, was sie unternahm.“ Die Arten der Masse Nach Canettis Ansicht gibt es mehrere Arten von Mas­ sen. Sie unterscheiden sich durch das, was sie im Sinn haben. Zwei Hauptformen der Masse sind für Canetti die „Flucht-“ und die „Hetzmasse“. Über die „Hetzmas­ se“ informiert Sie der folgende Abschnitt aus „Masse und Macht“, dem Werk, für das Canetti 1981 den Literaturnobelpreis bekam. Die Hetzmasse bildet sich im Hinblick auf ein rasch erreichbares Ziel. Es ist ihr bekannt und genau bezeichnet, es ist auch nah. Sie ist aufs Töten aus, und sie weiß, wen sie töten will. Mit der Entschlossenheit ohnegleichen geht sie auf dieses Ziel los […]. Es genügt, dieses Ziel bekannt zu Aufgabe Elias Canetti bei einer Lesung in Wien, Foto, 1970 2 4 6 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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