Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

329 Literatur zwischen 1925 und 1945 6 „Der Krieg, das größte aller Verbrechen“ Edlef Köppen: „Heeresbericht“ (1930) Plädoyer für den Pazifismus Unter allen Antikriegsromanen der Epoche wird „Hee­ resbericht“ von der Kritik heute als der Roman angese­ hen, der am meisten ohne Sentimentalisierung und Tri­ vialisierung gestaltet ist. Für „unerreicht, unübertroffen, als […] Kriegsroman, der zumindest in die Nähe von Karl Kraus’ ‚Die letzten Tage der Menschheit‘ kommt“ , hält ihn der Literaturwissenschafter Jens Malte Fischer. Köppen montiert in die Kriegsbiografie des Studenten und Kriegsfreiwilligen Adolf Reisiger Dokumente, Speisekar­ ten, Heeresberichte, Gedichte, Zeitungsartikel. So soll auf die Manipulation der Menschen durch bewusste Fälschung der Wahrheit und ideologische Propaganda aufmerksam gemacht werden. Die Fragen, die Reisiger naiv zu Beginn des Krieges im Oktober 1914 stellt – „Wo ist denn nun der Krieg?“, „Sind wir jetzt an der Front?“, „Was ist der Feind?“, „Wie funktioniert der ganze Be- trieb?“ – werden im Laufe des Krieges eindringlich be­ antwortet. Reisiger erkennt, dass Krieg befohlener Mord ist, „das größte aller Verbrechen“ . Die sachlich-dis­ tanzierte Beobachtung wird verdeutlicht durch die ein­ gefügten Dokumente. Lesen Sie vier Abschnitte aus dem Roman: Ausschnitt 1: Anweisung für Kriegsphotographen Jede Gelegenheit ist zu benutzen, um zu beweisen, dass die deutsche Kriegsführung alle unnötigen Härten vermeidet. In feindlichen Ortschaften sind die wichtigsten Baudenkmäler so zu photographieren, dass ihre Unversehrtheit nachgewiesen werden kann. Stets einige deutsche Soldaten mitphotographieren. Feindliche Verwüstungen und Grausamkeiten sind durch Bilder zu beweisen. (Generalstab, 28. 12. 1914. III. C. 3094. Pr. Auszug aus der Anweisung für Kriegsphotographen und Kinematographen) Ausschnitt 2: Befehl des deutschen Kaisers Wilhelm II. … und es kann vorkommen, dass ihr eure eignen Verwandten und Brüder niederschießen oder -stechen müsst. Dann besiegelt die Treue mit Aufopferung eures Herzblutes … […] Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkom- men, dass Ich euch befehle, eure eigenen Verwand- ten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen – was ja Gott verhüten möge – aber auch dann müsst ihr Meine Befehle ohne Murren befolgen […] und müsste ich euch einst vielleicht – Gott wolle es verhüten – dazu berufen, auf eure eigenen Verwandten, ja Geschwis- ter und Eltern zu schießen, so denkt an euern Eid! Ausschnitt 3: Kommentar des Erzählers über Reisiger Da Reisiger […] erklärt, dass er den Krieg für das größte aller Verbrechen hält, verhaftet man ihn und sperrt ihn ins Irrenhaus. Reisiger liegt in einer Isolierzelle. Das ist ein Grab, düster, kalt, mit einer bläulichen Lampe erhellt. Verschlossen die Tür, vergittert das Fenster mit dem zentimeterdicken Glas. Ausschnitt 4: Die letzten Zeilen des Romans Festungslazarett Mainz, Nervenstation. Wochenbe- richt 6.–13. 9. 1918. Krankenwärter: Neuhagen. Reisiger, Adolf, Ltn. d. R.F.A.R. 253. Befund wie in voriger Woche. Der Kranke schläft nicht, isst nicht, sieht starr vor sich hin. Wenn man mit ihm redet, hat er ständig nur einen Satz zur Antwort. „Es ist ja immer noch Krieg. Leckt mich am Arsch!“ ■■ Beurteilen Sie, welche zusätzlichen Informa­ tionen zum Krieg Köppen im Vergleich zu den angeführten Textstellen von Jünger bringt. ■■ Fassen Sie zusammen, wie „man“ mit dem Kriegsgegner Reisiger verfährt. ■■ Geben Sie jedem der vier Ausschnitte einen Titel. Schlafende französische Soldaten in einem Schützengra- ben bei Verdun, Foto, 1916 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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