Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
296 Expressionismus/Dadaismus (1910–1920/1925) Der englische Offizier, prunkend gerüstet, von einem Soldaten gefolgt – tritt den Sechs entgegen und hebt seinen Arm auf: Jean de Vienne – der König von England schickt an diesem Morgen! Jean de Vienne ihm zurufend: Die Frist ist nicht versäumt: mit dem frühen Morgen sollen sechs aus den gewählten Bürgern von der Stadt aufbrechen und sich im Sande vor Calais überliefern. Wir stehen am frühen Morgen hier! Der englische Offizier zu den Sechs: Verzögert den Aufbruch! Zu Jean de Vienne tretend Der König von England schickt an diesem Morgen diese Botschaft in die Stadt Calais: In dieser Nacht ist dem König von England im Lager vor Calais ein Sohn geboren. Der König von England will an diesem Morgen um des neuen Lebens willen kein Leben vernichten. Calais und sein Hafen sind ohne Buße von der Zerstörung gerettet! Tiefes Schweigen herrscht. Der englische Offizier: Der König von England will an diesem Morgen in einer Kirche danken. Jean de Vienne – öffne die Türen – die Glocken sollen läuten vor dem König von England! […] Jean de Vienne richtet sich auf. Sein Blick schweift nach den Sechs, die inmitten der Gasse sich ihm genähert haben: Hebt diesen auf und stellt ihn innen auf die höchste Stufe nieder. Der König von England soll – wenn er vor dem Altar betet – vor seinem Überwinder knien! Die Sechs heben die Bahre auf und tragen Eustache de Saint-Pierre auf ihren steil gestreckten Armen – hoch über den Lanzen – über die Stufen in die weite Pforte […]. Glocken rauschen ohne Pause aus der Luft. Das Bürgervolk steht stumm. Aus der Nähe scharfe Trompeten. Der englische Offizier: Der König von England! Jean de Vienne und die gewählten Bürger stehen abwartend. Das Licht flutet auf dem Giebelfeld über der Tür: in seinem unteren Teil stellt sich eine Niederlegung dar; der schmale Körper von Eustache liegt schlaff auf den Tüchern – sechs stehen gebeugt an seinem Lager. – Der obere Teil zeigt die Erhebung des Getöteten: er steht frei und beschwerdelos in der Luft – die Köpfe von sechs sind mit erstaunter Drehung nach ihm gewendet. ■■ Bestimmen Sie die einzelnen Handlungs schritte der Schlussszene des Dramas, stellen Sie fest, wo der Autor die Ebene der Realität verlässt. ■■ Erschließen Sie, zu welchen Geschehnissen aus dem Neuen Testament an dieser Stelle Parallelen gezogen werden könnten. 5 „… fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ Franz Kafka: „Die Verwandlung“ (1912), „Der Prozess“ (1914/15), „Eine alltägliche Verwirrung“ (1917) und „Brief an den Vater“ (1919) „Die Verwandlung“ Eine große Verstörung Kafkas Erzählungen und Romane setzen oft mit Situa tionen ein, die für die Betroffenen unerklärlich und bedrohlich sind. Ein durchaus realistischer Sachver halt sprengt plötzlich die Grenzen der Realität. „Die Verwandlung“ beginnt mit folgenden Sätzen: Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 Aufgabe 2 4 6 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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