Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
287 Das Fundament Massengesellschaft und Weltkriegskatastrophe Eine Kampfansage Es sind die rapiden Veränderungen des Lebens zu Be ginn des 20. Jahrhunderts, gegen die sich die expressi onistische Kunst und Literatur richtet: Großstädte, Massengesellschaft, rücksichtslose Industrialisierung, Militarismus, die politische Manipulation, mit der Eu ropa in den Ersten Weltkrieg geführt wird, und die zer störerischen Konsequenzen dieses Krieges. Getragen wird diese Bewegung von den in den 80er- und 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts Geborenen. Die Poli tik, die in den Krieg geführt hat, halten sie für verlo gen und zerstörend. Aber auch der hemmungslose technische Fortschritt ist für die Expressionisten frag würdig. Denn er macht die einen vermögend und drängt die anderen ins Elend. Was soll das für ein „Fortschritt“ sein, der von der mörderischen Gewehr kugel zur noch mörderischeren Granate führt, fragt sinngemäß der Expressionist Gottfried Benn. Der Au tor und Dichtungstheoretiker Hermann Bahr charakte risiert die Zeit als Epoche der Verstörung und Angst, aus der die Kunst heraushelfen soll: Darum geht es, dass der Mensch sich wiederfinden will. […] Die Maschine hat ihm die Seele weggenom- men […]. Darum geht es; alles, was wir erleben, ist nur der ungeheure Kampf um den Menschen, Kampf mit der Maschine. Wir leben ja nicht mehr, wir werden gelebt. Niemals war eine Zeit von solchem Entsetzen geschüttelt, von solchem Todesgrauen. […] Niemals war der Friede so fern und die Freiheit so tot. Die ganze Zeit wird ein einziger Notschrei. Auch die Kunst schreit mit, in die tiefe Finsternis hinein, sie schreit nach Hilfe, sie schreit nach dem Geist: Das ist der Expressionismus! Der Einfluss von Nietzsches „Zarathustra“ Die philosophische Grundlage für die Kritik an der Zeit liefert den Künstlern wiederum Friedrich Nietzsche, insbesondere mit seiner Schrift „Also sprach Zarathus tra“. In diesem Werk stellt Nietzsche dem nur auf sei nen kleinlichen Profit achtenden „letzten Menschen“ , der eigentlich das Leben verneint und zerstört, den „Übermenschen“ gegenüber. Er verachtet die herr schende Moral, das Denken, die Gesellschaft und wächst über seine persönliche Kleinlichkeit hinaus. George Grosz, Stützen der Gesellschaft, Öl auf Leinwand, 1926, National- galerie Berlin 2 4 6 8 10 12 1910 Optimistischer Aufbruch der Künstler mit dem Ziel, durch Kunst und Literatur politische Veränderungen zu erreichen und einen „neuen Menschen“ zu schaffen. 1920 Ende des Expressionismus: Die Ziele des „Aufbruchs“ und der „Verwandlung“ mit Hilfe der Kunst erscheinen nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs nicht verwirklichbar. Die 1919 erschienene Lyriksammlung „Menschheitsdämmerung“ sieht den Expressionismus bereits als zu Ende gehende Epoche. 1925 Ende des Dadaismus: Die zeitweise stabiler gewordenen politischen Verhältnisse der Weimarer Republik entziehen dem Dadaismus den Boden. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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