Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
284 Symbolismus, Impressionismus, Fin de Siècle, Wiener Moderne (1890–1920) Thema: Triggerwarnung: „Literatur kann Ihre Gesundheit gefährden“ Aufgabe 1: Kerstin Hensel: Der Triggerknüppel. Literatur gefährdet eventuell Ihre Gesundheit! (2016) Verfassen Sie einen Kommentar. Situation: Die Forderung, dass man manche Werke der Weltliteratur aus inhaltlichen Gründen (Gewalt, Trauer, Tod, Krieg, Erotik …) im schulischen oder universitären Bereich nicht mehr lesen sollte oder zumindest ihnen eine Warnung voranstellen müsste, wird immer häufiger vorgebracht. Der folgende Artikel hat Sie motiviert, zu diesem Thema Stellung zu nehmen. Die Form des Kommentars scheint Ihnen dafür gut geeignet zu sein. Lesen Sie den Text „Der Triggerknüppel. Literatur gefährdet eventuell Ihre Gesundheit!“ von Kerstin Hensel. ■■ Stellen Sie den Sachverhalt „Triggerwarnung“ und die Position der Autorin zu diesem Thema dar. ■■ Bewerten Sie die Tendenz, Werke, die „gefährlich“ oder „gefährdend“ sein könnten, mit Warnungen zu versehen. ■■ Formulieren Sie, je nach Ihrer Anschauung, einen Appell pro oder kontra Triggerwarnung. Schreiben Sie zwischen 270 und 330 Wörter. Kerstin Hensel: Der Triggerknüppel. Literatur gefährdet eventuell Ihre Gesundheit! An die Schreckensbilder auf Zigarettenpackungen, die vor den Folgen des Rauchens warnen, haben wir uns gewöhnt. In den USA wird nun auch der Tatsa- che Rechnung getragen, dass Literatur und Kunst see- lische Erschütterung hervorrufen kann. Warnungen davor scheinen unausweichlich. In Amerika, wo ich kürzlich an Universitäten im mittleren Westen Literatur unterrichtet habe, wurde mir von Studentinnen vorgehalten: Ich würde sie mit Unzumutbarem konfrontieren: mit depressiven In- halten, mit Weltübeln, frauenverachtenden Texten – ja, ich würde mit kruden Fantasien die Seelen der braven, wohlstandsgedüngten Twens zerstören. Es handelte sich dabei […] um meine poetischen Texte sowie um original deutsches Märchengut wie Aschenputtel: „Rucke-di-guh, rucke-di-guh, Blut ist im Schuh.“ Zwar hat man mir, dem Gast, nicht die Augen ausge- hackt wie es am Ende von Aschenputtel die Tauben mit den betrügerischen Schwestern taten, aber in den Augen der Beschwerdeführerinnen funkelten bereits strafende Blitze. Eine Studentin meinte, Märchen seien nur in der Ver- filmung von Walt Disney akzeptabel; eine andere riet mir ernsthaft, nur noch das Gute, Schöne und Lustige zu schreiben. Dann würden Böses, Hässliches, Trau- riges bald nicht mehr existieren. Und sie müsse keine Alpträume mehr erleiden, wie nach der Lektüre mei- ner Geschichten. Professoren haben mich aufgeklärt: Ich hätte, bevor ich meine Bücher vorstelle, eine Trigger-Warnung ge- ben müssen. Trigger, was so viel wie Schlüsselreiz be- deutet, ist der Psychologie entlehnt. Die Lehrenden sollen die Lernenden warnen. Vor im Kunstwerk im- manenter Erotik, Sex, Gewalt, Krieg, vor schrägen Ansichten, politisch, moralisch, ethnisch, religiös oder gendermäßig „Unkorrektem“. Im Fall des Vor- handenseins solcher Szenen, Bilder oder Gedanken dürfen die Lernenden den Unterricht verlassen, um, wie es im Gesetz heißt, „ihre Gefühle zu schützen“. Auf der schwarzen Liste steht […] die halbe Weltlite- ratur. Von Kants „Kritik der reinen Vernunft“, über Ovids Metamorphosen, Shakespeares Dramen, Kleists Erzählungen, Grimms Märchen bis hin zur Gegenwartsliteratur. All dem wird traumatisierender Inhalt vorgeworfen. Trauma statt Traum, das geht na- türlich gar nicht im Land der unbegrenzten Unmög- lichkeiten. Der Triggerknüppel ist aus dem Sack und tanzt mun- ter durch amerikanische Unis, begleitet von Studen- 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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