Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

266 Symbolismus, Impressionismus, Fin de Siècle, Wiener Moderne (1890–1920) L’art pour l’art. In der Kunst gehe es um den „Kampf […] gegen ihre Unterordnung unter die Moral. L’art pour l’art heißt: ‚der Teufel hole die Moral!‘“ Symbol für diese nicht an Moralvorschriften gebundene Diesseits­ freude ist für Nietzsche der ekstatische griechische Weingott Dionysos. Baudelaire: Was Kunst ist, ist nicht Natur, was Natur ist, ist keine Kunst Für den französischen Dichter Charles Baudelaire ist Kultur das Resultat von Planung, Kreativität, also ein „Sieg“ über die ursprüngliche Natur. Das gilt auch für die Literatur. Sie bedeutet deshalb Ferne zur Natur, nicht die Annäherung an sie, indem man sie nach­ ahmt. Die Literatur muss ihre eigene Wirklichkeit schaffen, und zwar durch die Sprache. Baudelaire holt sich die Eingebungen zum Schreiben auch mit Hilfe der Inspiration im Alkohol- und Drogenrausch. „Die künstlichen Paradiese“ heißt eine seiner Gedicht­ sammlungen. Der „Stoff“, das „Thema“, der „Inhalt“ ei­ nes literarischen Textes seien nicht von Bedeutung, denn Dichtungen setzten sich aus Worten zusammen, nicht aus Ideen. So soll eine reine, von allen Zwecken befreite Poesie entstehen, die „poésie pure“ . Diese Kunstanschauung prägt auch das Werk von Arthur Rimbaud, Paul Verlaine und Stéphane Mallarmé, wei­ teren Anregern für die Literatur des Fin de Siècle. Mach: Das Ich ist nichts als eine Verbindung von Empfindungen Vermutlich ist Ihnen Ernst Mach eher aus der Physik als in Zusammenhang mit der Literatur bekannt: „M“ – „1 Mach“ – ist schließlich die Zahl für die Schallge­ schwindigkeit. Für die Dichter der Wiener Moderne galt Mach aber vor allem als Philosoph des Impressio­ nismus schlechthin. Mach bestimmt die Dinge der Realität als Komplex aus „Farben, Tönen, Wärmen, Drü- cken, Räumen“ , die ständig wechseln: „Mein Tisch ist bald heller, bald dunkler beleuchtet, kann wärmer oder kälter sein. Er kann einen Tintenfleck erhalten. […] Er kann repariert, poliert, Teil für Teil ersetzt werden. […]“ Auch für unsere Persönlichkeit gilt diese ständige Än­ derung. Wir sind ein Bündel aus wechselnden Empfin­ dungen, Wahrnehmungen, Einflüssen. Dass wir unser Ich für konstant halten, liegt nur in der Langsamkeit der Änderung. Unsere Person ist ein „Komplex von Er- innerungen, Stimmungen, Gefühlen, welcher als Ich be- zeichnet wird. Ich kann mit diesem oder jenem Ding beschäftigt, ruhig und heiter oder aufgebracht und ver- stimmt sein. Die scheinbare Beständigkeit des Ich be- steht vorzüglich nur […] in der langsamen Änderung.“ Besonders auf die Literatur von Hugo von Hofmanns­ thal und Peter Altenberg wirken sich Machs Ideen un­ mittelbar aus. ■■ Schreiben Sie einen Text über die vielen Veränderungen Ihres Ich während einer Schulstunde, eines Tages, der Busfahrt, des Nachmittags im Café …! ■■ Nehmen Sie als Schreibanregung eventuell den Beginn von Peter Handke: „Veränderun­ gen im Lauf des Tages“ (1969): „Solange ich noch allein bin, bin ich noch allein. Solange ich noch unter Bekannten bin, bin ich noch ein Bekannter. Sobald ich aber unter Unbekannte komme – Sobald ich auf die Straße trete – tritt ein Fußgänger auf die Straße. Sobald ich in die Straßenbahn einsteige – steigt ein Fahrgast in die Straßenbahn. […]“ Freud: Es, Ich und Über-Ich Die Frage, wie die menschliche Persönlichkeit „funktio­ niere“, ist auch das zentrale Thema der Psychoanalyse von Sigmund Freud. Aus den Analysen von Träumen seiner Patienten und in Gesprächen mit ihnen ent­ wickelte er seine Idee von der Bedeutung des Unbe­ wussten. 80–90 % der menschlichen Entscheidungen stammen laut Freud aus dem Unbewussten, dem triebhaften Teil unserer Psyche. Später baute Freud Claude Monet, Impression, Sonnenaufgang, Öl auf Leinwand, 1872, Musée Marmottan Monet Paris Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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