Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
258 Naturalismus (1885–1900) ■■ Bestimmen Sie, wie viele und welche zeitlichen Ebenen das Gedicht enthält und welche akustischen, visuellen und Geruchswahrnehmungen das jeweilige Ich aufnimmt. ■■ Beschreiben Sie die Stimmung des jeweiligen Ich. ■■ Vergleichen Sie die Form des Gedichts mit jener von Heines „Weberlied“ und erläutern Sie den Unter schied. Der Fokus Was soll und darf die Kunst? Majestätsbeleidigung und Kunstdebatte Erst nach langem Prozess waren die „Weber“ von der Polizei zur Aufführung in Berlin freigegeben worden. Hauptargument für die Freigabe: Die Plätze seien „im Allgemeinen so teuer und […] die Zahl der weniger teueren Plätze verhältnismäßig so gering, dass dieses Theater vorwiegend nur von Mitgliedern derjenigen Ge- sellschaftskreise besucht wird, die nicht zu Gewalttätig- keiten oder anderweitiger Störung der öffentlichen Ord- nung geneigt sind“ . Am Tage nach der Aufführung der „Weber“ kündigte der deutsche Kaiser Wilhelm II. aus Protest seine Loge im Deutschen Theater Berlin. Die Ausdehnung der Literatur auf die Bereiche des Hässli chen, der Armut, der Randfiguren und Hinterhöfe pro vozierte bis in die höchsten Kreise. So groß war die Empörung, dass es der Kaiser nicht bei der Logenkün digung bewenden ließ. Er brachte selbst seine Vorstel lungen von Kunst in die Öffentlichkeit. Die naturalisti schen Autoren konterten und beklagten die Missach tung ihrer Kunst. Lesen Sie dazu die folgenden Texte. Wilhelm II.: Die wahre Kunst (Aus einer Rede des Kaisers, 1901) Wer sich […] aus dem Gesetz der Schönheit und dem Gefühl für Ästhetik und Harmonie […] loslöst […], der versündigt sich an den Urquellen der Kunst. Aber noch mehr. Die Kunst soll mithelfen, erziehe- risch auf das Volk einzuwirken, sie soll auch den unteren Ständen nach harter Mühe und Arbeit die Möglichkeit geben, sich an den Idealen wiederaufzu- richten. Uns, dem deutschen Volke, sind die großen Ideale zu dauernden Gütern geworden, während sie anderen Völkern mehr oder weniger verloren gegangen sind. Es bleibt nur das deutsche Volk übrig, das an erster Stelle berufen ist, diese großen Ideen zu hüten, zu pflegen, fortzusetzen, und zu diesen Idealen gehört, dass wir den arbeitenden, sich abmühenden Klassen die Möglichkeit geben, sich an dem Schönen zu erheben und sich aus ihren sonsti- gen Gedankenkreisen heraus- und emporzuarbeiten. Wenn nun die Kunst, wie es jetzt vielfach geschieht, weiter nichts tut, als das Elend noch scheußlicher hinzustellen, wie es schon ist, dann versündigt sie sich damit am deutschen Volke. Conrad Alberti: Der Deutsche und die Kunst (Aus der Zeitschrift „Die Gesellschaft“, 1889) Die Kunst hat in Deutschland kein Publikum. Wenn der Franzose, der Skandinavier sich einen Genuss verschaffen will, greift er zu einem Buche – der Deut- sche in demselben Falle zum Bierglas oder zur Skatkarte. […] Der Deutsche ist der gröbste Materia- list unter allen Nationen. Er würde den Gedanken nicht ertragen, drei Mark dem Buchhändler zuge- wendet zu haben, die er dem Bierbrauer hätte entziehen müssen. Der Kapitalist wendet sein Vermögen nur an, um sich feinere Weinsorten zu verschaffen, um höhere Spieleinsätze zu machen. Der Aufgabe 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 2 4 6 8 10 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=