Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
250 Naturalismus (1885–1900) Die wissenschaftlichen Orientierungspunkte: Evolutionstheorie, Positivismus, Milieutheorie Die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809–82) erklärte, dass die Arten sich im ständigen Wettbewerb um die günstigsten Lebensbedingungen befänden und sich die besten Eigenschaften durchsetzten. Diese Ideen wurden im Naturalismus als Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Menschen interpretiert. Die als „Positivismus“ bezeichnete Philosophie von Augus te Comte (1798–1857) lässt nur Erfahrenes und Beweis bares als tatsächlich, das heißt „positiv“, gelten. Des halb können nur Soziologie und Naturwissenschaften beanspruchen, Wissenschaft zu sein, im Gegensatz zu metaphysischen Spekulationen und zu Religionen, die sich auf Inspiration durch Jenseitiges berufen. Hippo lyte Taine (1828–93) übertrug die Auffassung Comtes von der wissenschaftlichen Erklärbarkeit der Welt auf den Menschen und die Gesellschaft. Drei bestimmen de Faktoren wirken auf den Menschen ein: ethnische, soziale und historische Gegebenheiten. Der Mensch ist bestimmt durch „Rasse, Milieu und Zeit“ – „la race, le milieu et le moment“ . Der philosophische Orientierungspunkt: Utilitarismus Nützlichkeit – „Utilitarismus“ – , so lautet die politische Forderung der englischen Philosophen und Ökonomen Jeremy Bentham (1748–1832) und John Stuart Mill (1806–73). Der Wert oder Unwert von Handlungen hängt für sie davon ab, welche Folgen diese Handlun gen für die Gesellschaft haben. Was als Ziel der Politik anzustreben ist, das ist das höchstmögliche Glück der größtmöglichen Zahl an Menschen. Optimistisch er wartete Mill für die Zukunft ein Abnehmen des Egois mus zugunsten des Altruismus und einen gelingenden Ausgleich zwischen Individuum und Gemeinschaft. Der politische Orientierungspunkt: die „klassen lose“ Gesellschaft Karl Marx (1818–83) und sein Mitarbeiter Friedrich En gels (1820–95) hingegen glaubten nicht an eine steti ge Verbesserung der sozialen Probleme. Die Geschich te zeigt für sie von Anfang an den Kampf zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten. Zwei große feindliche Lager – Klassen genannt – stehen laut Marx und En gels einander gegenüber: das Proletariat (die Arbei terklasse) und das kapitalistische Bürgertum (die Bourgeoisie). Zwischen beiden Lagern gibt es einen elementaren Unterschied. Die Arbeiter verkaufen dem Kapitalisten ihre Arbeitskraft, da sie nichts anderes ha ben. Der Kapitalist bezahlt den Arbeiter dafür. Jener verfügt über die Produktionsmittel, wie Arbeitsgebäu de, Grund und Boden, Transportmittel, Rohstoffe, Ener giequellen. Der Kapitalist macht Gewinn, indem er für die vom Arbeiter produzierte Ware mehr Geld erzielt, als der Lohn ausmacht, den er dem Arbeiter zahlt. Marx nennt diesen Gewinn Mehrwert. Der Einzelne kann diese Verhältnisse nicht ändern, sondern nur die gesamte Klasse. Marx meint in seiner „Verelendungs theorie“, dass die Arbeiterklasse von der Bourgeoisie immer stärker ausgebeutet wird, bis sie nichts mehr zu verlieren hat und die Revolution beginnt. Diese Revolution werde die Auseinandersetzungen ein für allemal beenden und eine gerechte soziale Ordnung herbeiführen. Für Marx ist diese Änderung der Gesell schaft ein Naturgesetz: Auf den Kapitalismus folge mit logischer Notwendigkeit die Diktatur des Proletariats, diese führe zur „klassenlosen“ Gesellschaft. ■■ Fassen Sie die Thesen von Evolutionstheorie, Positivismus und Milieutheorie zusammen. ■■ Definieren Sie den philosophischen Utilitaris mus und stellen Sie die Klassen- und Verelen dungstheorie von Karl Marx dar. Aufnahme der Stube einer Berliner Arbeiterwohnung, 1910 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=