Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

244 Poetischer Realismus (1850–1900) Maturaraum 11 Für Ihre schriftliche Reifeprüfung/Reife- und Diplomprüfung Fremde Kindheit Kein Kind und schon gar kein Erwachsener wird in unserer westlichen Gesellschaft heute eine Zugsfahrt von ein paar Kilometern als Abenteuer empfinden. Für Peter Rosegger war die erste Fahrt mit dem Zug über den Semmering ein solches Abenteuer. Und welches Kind in unserer Gesellschaft kann es sich vorstellen, seine Kindheit als Steinklopfer zubringen zu müssen? Für viele Kinder aus der „Dritten Welt“ ist dies Realität. Thema: Kindheit „früher“ und „anderswo“ Aufgabe 1: Peter Rosegger: Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß (Erstveröffentlichung 1876) Verfassen Sie eine Textinterpretation. Lesen Sie die Erzählung „Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß“. Verfassen Sie nun die Textinterpretation und bearbeiten Sie dabei die folgenden Arbeitsaufträge: ■■ Bestimmen Sie Zeit, Ort und Details des Geschehens. ■■ Charakterisieren Sie die Hauptpersonen und ihre Sprache. ■■ Interpretieren Sie ihr Verhalten und ihre Sprache in Bezug auf ihre soziale Stellung und ihre Herkunft. Schreiben Sie zwischen 540 und 660 Wörter. Peter Rosegger: Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß Mein Pate, der Knierutscher Jochem – er ruhe in Frieden! – war ein Mann, der alles glaubte, nur nicht das Natürliche. Das wenige von Menschenwerken, was er begreifen konnte, war ihm göttlichen Ur- sprungs; das viele, was er nicht begreifen konnte, war ihm Hexerei und Teufelsspuk. Der Mensch hat zum Beispiel die Fähigkeit, das Rindsleder zu gerben und sich Stiefel daraus zu verfertigen; diese Gnade hat er von Gott. Wenn der Mensch aber hergeht und den Blitzableiter oder gar den Telegraphen erfindet, so ist das gar nichts anderes als eine Anfechtung des Teu- fels. […] Sein Trost gegen die Anfechtungen des bö- sen Feindes und sein Vertrauen war die Wallfahrts- kirche Maria Schutz am Semmering. Als ich schon hübsch zu Fuße war wollte er auch mich einmal mit- nehmen nach Maria Schutz. „Meinetweg“, sagte mein Vater, „da kann der Bub gleich die neue Eisenbahn sehen, die sie über den Semmering jetzt gebaut ha- ben. Das Loch durch den Berg soll schon fertig sein.“ „Behüt uns der Herr“, rief der Pate, „dass wir das Teu- felswerk anschaun! ’s ist alles Blendwerk, ’s ist alles nicht wahr.“ „Kann auch sein“, sagte mein Vater und ging davon. Ich und mein Pate machten uns auf den Weg; wir gin- gen über das Stuhleckgebirge, um ja dem Tal nicht in die Nähe zu kommen, in welchem nach der Leute Re- den der Teufelswagen auf und ab ging. […] Gegen Abend kamen wir in die Niederung, doch – entweder der Pate war hier nicht wegkundig, oder es hatte ihn die Neugierde, die ihm zuweilen arg zusetzte, überlis- tet: anstatt in Maria Schutz zu sein, standen wir vor ei- 5 10 15 20 25 30 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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