Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

236 Poetischer Realismus (1850–1900) 5 „Die Welt ist, wie sie ist, und die Dinge verlaufen nicht, wie wir wollen, sondern wie die anderen wollen.“ Theodor Fontane: „Effi Briest“ (1895) Sie ist 17, er ist 38 Die 17-jährige Effi Briest heiratet den 38-jährigen Ba­ ron Geert von Innstetten. Vor allem Effis Mutter steht dahinter: „[…] und wenn du nicht ,nein‘ sagst, […] so stehst du mit zwanzig Jahren da, wo andere mit vierzig stehen. Du wirst deine Mama weit überholen.“ Auf die Frage der Mutter, ob sie Innstetten denn nicht liebe, antwortet Effi: „Ich liebe alle, die’s gut mit mir meinen […] und mich verwöhnen. […] Geert ist ein schöner Mann, ein Mann, mit dem ich Staat machen kann und aus dem was wird in der Welt.“ Die Ehe definiert Effi in einem Gespräch mit ihrer Mutter so: [Textausschnitt 1] „Aber kannst du dir vorstellen, und ich schäme mich fast, es zu sagen, ich bin nicht so sehr für das, was man eine Musterehe nennt. […] Ich bin … nun, ich bin für gleich und gleich und natürlich auch für Zärtlichkeit und Liebe. Und wenn es Zärtlichkeit und Liebe nicht sein können, weil Liebe, wie Papa sagt, doch nur ein Papperlapapp ist (was ich aber nicht glaube), nun, dann bin ich für Reichtum und ein vornehmes Haus, ein ganz vornehmes, […] wo der alte Kaiser vorfährt und für jede Dame, auch für die jungen, ein gnädiges Wort hat. Und wenn wir dann in Berlin sind, dann bin ich für Hofball und Galaoper, immer dicht neben der großen Mittelloge. […] Liebe kommt zuerst, aber gleich hinterher kommt Glanz und Ehre, und dann kommt Zerstreu- ung – ja, Zerstreuung, immer was Neues immer was, dass ich lachen oder weinen muss. Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile.“ Eine gewöhnliche Ehe und das Stolpern in eine Beziehung Die Ehe in einer kleinen Stadt verläuft langweilig. Inn­ stetten, auf seine Karriere bedacht, ist oft außer Haus, Effi lebt isoliert, die „Zerstreuung“ fehlt ihr ebenso wie „Zärtlichkeit und Liebe“ , denn „Innstetten war lieb und gut, aber ein Liebhaber war er nicht“ . Auch die Geburt der Tochter löst Effi nicht aus ihrer emotionalen Isola­ tion. Da taucht Crampas auf, ein „Damenmann“. Eine Beziehung zwischen Effi und Crampas beginnt, sie passiert eigentlich, Leidenschaft ist nicht dabei. Des­ halb ist Effi erleichtert, dass sie wegen des beruflichen Aufstiegs ihres Mannes mit der Familie nach Berlin ziehen muss und so die Affäre mit Crampas beendet ist. Ruhige sechs Jahre verlebt die Familie in Berlin, da findet Innstetten die Briefe von Crampas an Effi. Ein Duell der „Ehre“ wegen Eigentlich möchte er am liebsten Effi ohne Aufsehen verzeihen. Doch seine persönliche Bereitschaft ist nichts gegen die gesellschaftlichen Normen. Die „Ehre“ muss wiederhergestellt werden: „Und dagegen verstoßen geht nicht; die Gesellschaft verachtet uns, und zuletzt tun wir es selbst und können es nicht aus- halten und jagen uns die Kugel durch den Kopf. […] Ich habe keine Wahl. Ich muss.“ Auch Innstettens Freund, mit dem er seine Lage bespricht und der als einziger überhaupt von dem Ehebruch weiß, sieht den Druck der Gesellschaft: „Ich finde es furchtbar, dass Sie Recht haben, aber Sie haben Recht. […] Die Welt ist einmal wie sie ist, und die Dinge verlaufen nicht, wie wir wollen, sondern wie die anderen wollen.“ Innstetten fordert Crampas zum Duell, Crampas fällt. Scheidung und Verweigerung Innstetten, auch das gehört zur „Ehre“, lässt sich von Effi scheiden, die Tochter bleibt bei ihm. Die Eltern ver­ weigern Effi die Zuflucht im Elternhaus mit folgendem Brief: Szenenbild aus der dramatisierten Fassung des Romans „Effi Briest“, Maxim Gorki Theater Berlin, 2012 2 4 6 8 10 12 14 16 18 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlag öbv

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