Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
232 Poetischer Realismus (1850–1900) Papierabfälle und bedeckt mit einer unreinen, stinkenden Luft und bewohnt von unzufriedenen, feindseligen Menschen! […] Es ist ja ganz unfassbar, wie dieses höllische „immer noch mehr Geld haben wollen“ die gescheitesten Leute zu Toren, die rücksichtsvollsten Menschen zu Straßenräubern machen kann. Zu Straßenräubern habe ich gesagt. Ein starkes Wort. Aber wird nicht dem Wanderer, der arglos das Land bereist, um seine Schönheit zu genießen – wird ihm nicht diese Schönheit wegge- nommen, der erquickende Wald, das klare Wasser, die gesunde Luft weggenommen? Und den Einhei- mischen, wird ihnen nicht die liebe traute Landschaft zerstört? Der Fabriksherr kann sich anderswo schöne Erdenwinkel aussuchen, solange es deren noch gibt, erbaut sich Schlösser in noch unentweihten Gegen- den, […] oder er geht in Kurorte, wo schöne Landschaft geschäftlich erhalten und krampfhaft noch mehr verschönert wird, um ihm Vergnügen zu machen. Jene Einheimischen aber, denen er mit seinen Gründungen die Heimatgegend verhässlicht hat, die müssen sitzen bleiben bei den qualmenden Schloten, verderbten Wässern und Lüften […]. ■■ Stellen Sie fest, welchen Unterschied Rosegger zwischen den Möglichkeiten der „Fabriksherren“ und jenen der „Einheimi schen“ definiert. ■■ Diskutieren Sie in der Klasse über Aktualität/ Nichtaktualität der beiden Texte. 4 „Diese Geschichte zu erzählen würde eine müßige Nachahmung sein, wenn sie nicht auf einem wirklichen Vorfall beruhte.“ Gottfried Keller: „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ (1856) Seldwyla: die harte Konkurrenz Im Jahre 1856 erscheint die erste Auflage von Gottfried Kellers Novellensammlung „Die Leute von Seldwyla“. Der erfundene Ort liegt „irgendwo in der Schweiz“ . Der Name bezeichnet nach Keller „einen wonnigen und sonnigen Ort“ . Doch „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ endet als Tragödie. Der Realist Keller bezieht sich auf ein reales Ereignis Zu Beginn der Erzählung weist Keller auf die Realität des Geschehens hin: „Diese Geschichte zu erzählen würde eine müßige Nachahmung sein, wenn sie nicht auf einem wirklichen Vorfall beruhte […].“ Keller hatte den Ausgangspunkt für die Erzählung in der „Zürcher Freitagszeitung“ vom 3. September 1847 gelesen: Im Dorfe Altsellershausen, bei Leipzig, liebten sich ein Jüngling von 19 Jahren und ein Mädchen von 17 Jahren, beide Kinder armer Leute, die aber in einer tödlichen Feindschaft lebten und nicht in eine Vereinigung des Paares willigen wollten. Am 15. August begaben sich die Verliebten in eine Wirtschaft, wo sich arme Leute vergnügen, tanzten daselbst bis nachts 1 Uhr und entfernten sich hierauf. Am Morgen fand man die Leiche beider Liebenden auf dem Felde liegen; sie hatten sich durch den Kopf geschossen. 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 Aufgabe 2 4 6 8 10 Porträtfotografie von Peter Rosegger in jüngeren Jahren Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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