Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
228 Poetischer Realismus (1850–1900) Realistische Epik und Lyrik in Norddeutschland: Storm, Fontane Auch im Norden Deutschlands arbeitet eine Gruppe von Realisten. Theodor Storm (1817–88) ist Novellist und Lyriker. Zahlreiche Novellen Storms sind „Erinne rungs-“ oder „Chroniknovellen“. Dies erlaubt dem Au tor eine zeitliche Distanzierung und mildert die Kritik. Alkoholismus, Spekulantentum, Überheblichkeit des Adels richten die Menschen zugrunde. An irrationalen Vorurteilen und an seinem eigenen Hochmut scheitert Hauke Haien, die Hauptfigur von Storms bekanntester Novelle „Der Schimmelreiter“. Er will mit neuen Dei chen das Land gegen die Sturmfluten der Nordsee schützen. Doch Fortschrittsfeindlichkeit und Aberglau ben sind stärker. Das Meer verschlingt Haukes Frau und Kind, Hauke stürzt sich mit seinem Schimmel ins Meer. Droht eine Sturmflut, so erscheint seither jedes Mal der gespenstische „Schimmelreiter“ zur Warnung. Theodor Fontane (1819–98) hatte zunächst als Balla dendichter („Die Brücke am Tay“) und mit Reiseschil derungen begonnen. Seinen ersten Roman veröffent lichte er erst mit dem 60. Lebensjahr. Hohle Ehrbegrif fe, Kritik an Hof, Militär und die gesellschaftliche Pro blematik der Frau sind seine Themen. Sie bestimmen auch Fontanes berühmtesten Roman, „Effi Briest“ (5) . Realistischer Humor und realistisches Drama in Norddeutschland: Wilhelm Busch, Friedrich Hebbel Der große Humorist, der als Waffe gegen die Wider sprüche des Lebens Witz und Satire einsetzt, ist Wil- helm Busch (1832–1908). Mit seinen Bildergeschichten wird er gleichzeitig zu einem der Bahnbrecher für die Comics (siehe Fokus ). Friedrich Hebbel (1813–63) ist der wichtigste Dramatiker dieser Gruppe. Sein Drama „Maria Magdalene“ gilt als das letzte bürgerliche Trau erspiel. Nicht mehr die Auseinandersetzung zwischen Adel und Bürgertum so wie im „klassischen“ bürger lichen Trauerspiel bestimmt jedoch den Konflikt. Der „Kampf der Geschlechter“, das Missverstehen zwi schen Mann und Frau, die Angst vor der „Schande“ und ein leerer Begriff von „Elternehre“ treiben eine junge Frau in den Tod. Der Leseraum 1 „Tausende von Menschen, die Felsen gesprengt, Steinblöcke gewälzt, Abgründe überbrückt haben“ Ferdinand von Saar: „Die Steinklopfer“ (1874) Gibt es einen typisch österreichischen Realismus? Dass sich die Realisten prägnant in landschaftliche Gruppierungen gliedern lassen und sich auch eine ös terreichische Gruppe bestimmen lässt, wissen Sie. Aber gibt es über das Geografische hinaus Merkmale, die speziell die Literatur dieser österreichischen Auto ren und Autorinnen charakterisieren? Die Antwort der Literaturwissenschaft: Es gibt tatsächlich eine spezi fisch österreichische Art des Realismus. Zusammen fassen lässt sich dieses Eigentümliche des österreichi schen Realismus in folgenden Stichwörtern: Ahnung vom Zerfall der alten Ordnungen und vom Ende der Monarchie, großes soziales Empfinden, Sympathie für die vom Leben geprügelten Menschen, Polemik gegen den moralisch nicht immer edlen Adel, Suche nach Ausgleich, Skepsis gegenüber einer grundlegenden Möglichkeit der Änderung ungerechter Verhältnisse. Bau der Semmeringbahn, Lithografie, 1850, Technisches Museum Wien Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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