Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
223 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) Glück als Schulfach Mathe, Deutsch – und Glück. Dieses Schulfach gibt es wirklich. Was Schüler dabei für das Leben lernen Deutschland. – Der ehemalige Schuldirektor Ernst Fritz-Schubert hat 2007 an seiner Schule in Heidel- berg das Unterrichtsfach „Glück“ entwickelt. Heute gibt er das Konzept in seinem pädagogischen Institut an andere Lehrer weiter. Herr Fritz-Schubert, wie kamen Sie auf die Idee? Müs- sen Schüler in Deutschland beigebracht bekommen, Glück zu empfinden? Ich war zu dem Zeitpunkt schon 30 Jahre im Schul- dienst und mir war klar, dass Schüler die Schule nicht als Ort empfinden, an dem sie glücklich sind. Dabei sollte es die Aufgabe der Schule sein, Freude am Ler- nen zu wecken und zu erhalten. Ich habe das Gefühl, dass die Schule uns die Neugier abgewöhnt. Entgegen aller Erkenntnisse der Psychologie behandeln viele Pädagogen ihre Schüler wie „Lernmaschinen“, die vorgegebene Inhalte reproduzieren. Aber wenn Leh- rer sich nicht als Fehlersucher, sondern als Schatzsu- cher verstehen, hat das positive Auswirkungen für beide Seiten. Das Schulfach Glück dient dazu, die Persönlichkeit zu stärken. Viele Studien belegen, dass Menschen, die glücklich und zufrieden sind, weniger streiten, gesün- der, aufnahmefähiger und kreativer sind. Was sind die Inhalte des Schulfachs Glück? Zufriedenheit und Lebenskompetenz sind das Ziel des Schulfachs Glück. Dazu zählen Sinnfindung, Ge- borgenheit, soziale Beziehungen, selbstbestimmtes Handeln, Selbstakzeptanz, Umweltbewältigung, und die persönliche Weiterentwicklung. Das lässt anhand von vier Fragen in Lernschritte ein- teilen: Wer bin ich? Was brauche ich? Was kann ich? Was will ich? Die Schüler lernen, ihre Träume und Bedürfnisse wahrzunehmen, daraus Ziele zu formu- lieren und Wege zu finden, um sie zu verwirklichen. Sie setzen sich aber auch mit dem Scheitern ausein- ander. Es ist wichtig früh zu lernen, auch mit Nieder- lagen richtig umzugehen, sie als Chance zu begreifen, um künftige Herausforderungen besser bewältigen zu können. Wie kann man sich eine Unterrichtsstunde vorstellen? Bewährt hat sich die Verbindung psychologischer Er- kenntnisse mit praktischen Übungen, die unter die Haut gehen, damit sie sich im Gehirn verankern. Ei- ner meiner Schüler hat es so beschrieben: „Was man zum Beispiel im Philosophieunterricht gelehrt be- kommt, üben wir im Schulfach Glück.“ Für Grundschüler gibt es eine schöne Übung für Wertschätzung: Ein Kind sitzt und die anderen flüs- tern ihm im Vorbeigehen etwas Nettes ins Ohr. Dabei erleben die Schüler, dass es Wohlbefinden auslöst, Komplimente zu empfangen und Komplimente zu machen, und dass es sich nicht gut anfühlt, andere zu demütigen. Für die Oberstufe habe ich das Spiel „Tempel der Tugenden“ entwickelt. Es basiert auf der Tugendlehre von Aristoteles. Die Schüler erarbeiten dabei ihr Persönlichkeitsprofil und werden sich ihrer Charakterstärken bewusst. Was verändert der Glücksunterricht bei den Schülern? Wissenschaftliche Begleituntersuchungen bestätigen, dass sie ein stärkeres Selbstwertgefühl entwickeln. Sie sind verständnisvoller, gehen offen auf andere Men- schen zu, trauen sich mehr zu und verfolgen optimis- tischer ihre Ziele. Wie viele Schulen haben das Konzept bereits übernom- men? Etwa 40 in Deutschland und 140 in Österreich. Am Fritz-Schubert-Institut haben wir seit 2009 über 500 Lehrer ausgebildet. https://www.deutschland.de/de/topic/wissen/glueck-als-schulfach-in- deutschland, 17.01.2018; abgerufen 14.04.2019. Die Tugendlehre des Aristoteles, dargestellt in der „Nikomachischen Ethik“, fordert das Streben nach „Mitte und Maß”. So sollte der Mensch zum Beispiel weder feig noch tollkühn sein, sondern tapfer, weder geizig noch verschwenderisch, sondern großzügig. Wichtige Einzeltugenden sind für Aristoteles Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigung, Freigebigkeit, Hilfsbereitschaft, Seelengröße, Sanftmut, Wahrhaftig- keit, Höflichkeit und Einfühlsamkeit. Als „zoon politikon“, als soziales, „politisches“ Wesen, kann der Mensch aber nur in der Gemeinschaft/Gesellschaft „richtig“ leben. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 Info Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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