Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

22 Hochmittelalter (1170–1250) Die Literaturübersicht Dichtung für die adeligen Damen und Herren Die erste „Klassik“ Die Wissenschaft bezeichnet die Literatur des Hoch­ mittelalters manchmal als erste große klassische Epo­ che der deutschen Literatur oder auch als „Staufische Klassik“. Häufig werden auch die Begriffe „ritterliche“ oder „höfische“ Literatur verwendet, um den sozialen Stand zu betonen, von dem diese Literatur vorzugs­ weise geschrieben wurde und mit dem sie sich inhalt­ lich befasste. So werden die Texte gesprochen: Die mit einem Zirkumflex ˆ versehenen Vokale und die Umlaute ae, oe und iu (= ü) werden lang gesprochen, alle anderen Vokale kurz. Die Buchstabenfol- gen ie, üe und uo werden als Zwielaute  – wie in unserer Mundart ausgesprochen: „Des is aber l ia b. Des is g uo t.“ Das h ist kein Dehnungszeichen, sondern wird als solches gesprochen; vor s und t spricht man es als „ch“ : „naht“ = „Nacht“ . Das c wird als „k“ gesprochen („tac“), das z wird am Wortbeginn und nach Konsonanten als ,,z“ gesprochen (zuo, herze), sonst als scharfes „s“ : daz, wazzer; das v wird als „f“ gesprochen. Um den Rhythmus nicht zu beeinträchtigen, wird ein Vokal am Ende eines Wortes – meist ein e – nicht gesprochen, wenn das folgende Wort mit einem Vokal beginnt: ze Ouwe = „zOuwe“ . Das Tugendsystem, die Realität und die literarischen Gattungen Liest man in Schriften dieser Zeit, die sich mit dem täglichen Leben befassen, so ist darin weniger von „höveschheit“ zu lesen als von Raub, Mord, Plünderun­ gen, Hunger. Die Ideale des Tugendsystems waren in der Realität des täglichen Lebens stets in Gefahr, ver­ letzt oder missachtet zu werden. Deshalb bekommt die höfische Literatur eine wichtige Rolle: Höfische Epik und Lyrik sollen durch die Darstellung von bei­ spielhaftem Verhalten zur Einhaltung der ritterlichen Tugenden und zur richtigen Balance zwischen weltli­ cher Anerkennung und demütiger Beziehung zu Gott anleiten. Auch für politische Zwecke dient die Litera­ tur, zum Beispiel für den Kampf des Kaisertums gegen den Papst. Entscheidend neu gegenüber dem frühen Mittelalter ist allerdings, dass die literarischen Texte erstmals auch Beachtung als selbstständige Werke finden, die unabhängig von Zwecken und Zielen einen ästhetischen Wert haben. Höfische Epik, Minnesang, Spruchdichtung und Heldenepik bilden die wichtigs­ ten Gattungen der hochmittelalterlichen Literatur. Die höfische Epik Die höfische Epik ist zugleich Lehrdichtung und Unter­ haltung. Sie führt vor, wie ein Ritter leben soll und was ihm droht, wenn er die Regeln des Standes verletzt. Die literarischen Gestalten dienen als Vorbilder für richtiges Verhalten. Dazu gehören König Artus, der Rit­ ter Erec, dessen Gattin Enîte und der Ritter Iwein aus den höfischen Epen „Erec“ (um 1180) und „Iwein“ (voll­ endet um 1205) von Hartmann von Aue (1) . Auch Wolfram von Eschenbach will in seinem „Parzival“ (um 1210 vollendet) die Hörer- und Leserschaft zum richti­ gen ritterlichen Leben führen (2) . Der dritte große Epi­ ker des Hochmittelalters, Gottfried von Straßburg , ver­ steht seinen „Tristan“ (zwischen 1200 und 1210 ent­ standen) als Anleitung, wie „edele herzen“ , die Elite der Adelsgesellschaft, die ideale Liebe leben sollen (3) . Info Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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