Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
218 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) stricken und will’s auch nicht lernen. Als die andern kleinen Mädchen das hörten, rückten sie ihre Stühle weit von Hermine weg, und Ida sagte: Höre, Hermin- chen, wenn du so faul bist und nichts lernen willst, dann sprechen wir nicht mehr und du kannst allein bleiben. Hermine blieb ruhig sitzen und lachte. Bald darauf trat aber Idas Mutter in die Stube und brachte einen Teller schöner großer Äpfel herein. […] Jedes fleißige Kind bekommt einen, sagte die Mutter, wer aber faul gewesen ist, erhält nichts. Da gab sie jedem Kinde einen Apfel, und Herminen keinen. Diese musste zusehen, wie es sich die andern so wohl schmecken ließen. Da schämte sie sich, und als niemand sich kümmerte, ging sie nach Hause und bat ihre Mutter mit Tränen, ihr doch einen Strick strumpf zu geben, sie wolle von jetzt an fleißig sein. Bald hatte sie das Stricken gelernt, denn sie gab sich recht viele Mühe, und als sie ein paar Tage darauf wieder zu Ida ging, nahm sie das Strickzeug mit, und erhielt ihren Apfel so gut wie die andern kleinen Mädchen. Da war sie glücklich und freute sich über ihren Fleiß. ■■ Stellen Sie fest, welche Frauenrolle der Text propagiert. ■■ Bewerten Sie das Verhalten der anderen Kinder im „Strickstrumpf“. ■■ Entwerfen Sie zum „Strickstrumpf“ ab Zeile 23 einen anderen Schluss. Grausame Kinder- und Jugendgeschichten Der oben präsentierte Text stellt die Realität idyllisch dar und betont den Erfolg eines gehorsamen Lebens. Eine andere Art moralischer Literatur zielt auf drastische, bis zur Grausamkeit gehende Abschreckung. Prototyp die ser Art von Geschichten ist der bereits kurz nach seinem Erscheinen 1847 in viele Sprachen übersetzte „Struwwel peter“ von Heinrich Hoffmann (1809–94). ■■ Nehmen Sie (wieder einmal) den „Struwwel peter“ zur Hand und untersuchen Sie, welche Verhaltensregeln dort formuliert werden. ■■ Beurteilen Sie, welche Regeln Sie auch heute noch für akzeptabel halten würden. ■■ Beschreiben Sie, welche Lieblingstexte Sie in den verschiedenen Altersstufen hatten und worum es darin „ging“. ■■ Erläutern Sie, was Sie heute für den damals entscheidenden „Auswahlgrund“ halten und ob Sie heute einen der damaligen Lieblings texte ablehnen würden. Grenzenlos Stifter ist aktuell Stifter reizt (an) Die Bewertung Stifters durch die zeitgenössischen ös terreichischen Autorinnen und Autoren fällt sehr ge gensätzlich aus, wie die folgenden Beispiele zeigen. Eine Stifterschmähung? – Thomas Bernhard: „Alte Meister“ In diesem Roman Bernhards (1985) treffen einander der Gelehrte Atzbacher und der Musikwissenschafter Reger im Wiener Kunsthistorischen Museum. Ge sprächsthema: Regers Ansicht, es gäbe kein vollkom menes Kunstwerk. Alle „Alten Meister“ aus Malerei, 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 Aufgabe Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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