Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
217 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) Gegen Ausbeutung und Sklaverei Der Österreicher Ferdinand Kürnberger (1821–79) ge staltete Lenaus Amerikaerlebnisse zu einem kritischen Roman mit dem Titel „Der Amerikamüde“. Der Held dieses Romans wandert voller Optimismus in die USA aus, doch seine Erfahrungen sind desillusionierend. Betrüger bringen die Siedler um ihr Geld, sektiereri sche Prediger treiben ihr Unwesen, Spekulanten rau ben den Leuten das Vermögen. Heinrich Heine widmet zunächst in seinem Gedichtband „Romanzero“ Ameri ka Lobverse. Amerika war für ihn im Gegensatz zu Eu ropa „kein Kirchhof der Romantik, […] kein alter Scher- benberg / Von verschimmelten / Und versteinerten Pe- rucken“ . Doch vor allem offener Rassismus macht Hei ne bald zum scharfen Amerika-Gegner: Ihr lieben deutschen Bauern! geht nach Amerika! dort gibt es weder Fürsten noch Adel, alle Menschen sind dort gleich, gleiche Flegel … mit Ausnahme freilich einiger Millionen, die eine schwarze oder braune Haut haben und wie die Hunde behandelt werden! Die eigentliche Sklaverei, die in den meisten nordamerikanischen Provinzen abgeschafft, empört mich nicht so sehr wie die Brutalität, womit dort die freien Schwarzen und die Mulatten behandelt werden. Wer auch nur im entferntesten Grade von einem Neger stammt und wenn auch nicht mehr in der Farbe, sondern nur in der Gesichtsbildung eine solche Abstammung verrät, muss die größten Kränkungen erdulden […]. Fassen Sie die positiven und negativen Urteile über Amerika zusammen! Amerikaexotik Auch die ersten Schilderungen des „wilden“ und exoti schen Amerika verdanken wir Literaten des Vormärz, wie Friedrich Gerstäcker (1816–72) mit dem Roman „Die Flusspiraten des Mississippi“. Selten fiel der Blick aber noch auf die in ihrer Existenz gefährdeten India ner. Zu den ersten, die dieses Thema in der deutschen Literatur behandelten, allerdings auf sehr klischeehaf te Weise, zählt Karl May (1842–1912). Seine Gegenüber stellung des guten Deutschen Old Shatterhand und der bösen „Yankees“ und die Kontrastierung der vielen bösen Indianer mit der Idealfigur Winnetou geben kein wirklichkeitsgetreues Bild der Umstände. Der Fokus Und was lesen die Kinder? Moralische Literatur Die Kinder des Biedermeier lesen, so wie Kinder und Ju gendliche heute, Reise- und Abenteuererzählungen, Tiergeschichten, Sachbücher. Dominierend sind aller dings die moralischen Geschichten. Erwünschtes Ver halten wird belohnt, unerwünschtes bestraft. Dies sollte mit typischen, lehrhaften Situationen in anschaulichen Geschichten „bewiesen“ werden, die zum Vorlesen ge dacht waren. Das Selber-Lesen wurde weniger gern gesehen, Warnungen vor den schlimmen Folgen von „Lesewut“ – Abmagerung, Siechtum, Verblödung – wa ren häufig. Besonders erfolgreich war der Band „Hun dertfünfzig moralische Geschichten für kleine Kinder“ von Franz Hoffmann (1814–82). Der folgende Ausschnitt stammt aus diesem 1842 erstmals gedruckten Buch. Der Strickstrumpf Die kleine Hermine lief den ganzen Tag auf der Straße umher und hatte nie Lust, etwas zu lernen. Sie war schon fünf Jahre alt und konnte noch nicht einmal stricken […]. Hundertmal des Tages befahl ihr die Mutter, sich ruhig hinzusetzen und ein wenig zu lernen, aber Hermine wollte nicht darauf hören. […] Das machte der Mutter viel Sorge. Eines Tages ging Hermine zu ihrer Gespielin Ida. Sie fand dort noch mehr Kinder. Alle saßen um einen kleinen Tisch herum, waren fleißig, strickten Strümpfchen und plauderten dabei. Hermine setzte sich zu ihnen und wollte mit ihnen vergnügt sein. – Ei, sagte Ida, wo hast du denn dein Strickzeug, Hermine? – Ich habe keins, erwiderte sie, denn ich kann noch nicht 2 4 6 8 10 12 14 Aufgabe 2 4 6 8 10 12 14 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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