Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
212 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) Heine narrt die Zensur Eine neue Bedeutung gab Heine der Gattung der Rei sebilder. Sie ermöglichten ihm eine Täuschung der Zensur, denn die an Deutschland gerichtete Kritik konnte vom Autor scheinbar über fremde Länder und Städte ausgesprochen werden. Manchmal spielt Hei ne auch mit den Zensoren, wie das untenstehende 12. Kapitel aus den „Reisebildern“ von 1827 zeigt. Schluss mit den Einlullliedern Mit den Auseinandersetzungen um 1830 und seiner Übersiedlung nach Paris erhält Heines Lyrik starke po litische Inhalte und erscheint zum Teil in seinen gesell schaftskritischen Reiseberichten. So stammt das fol gende Gedicht, in dem Heine die Überquerung der französisch-deutschen Grenze schildert, aus der Reise satire „Deutschland. Ein Wintermärchen“ (1844). Im traurigen Monat November war’s, Die Tage wurden trüber, Der Wind riss von den Bäumen das Laub, Da reist ich nach Deutschland hinüber. Und als ich an die Grenze kam, Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen In meiner Brust, ich glaube sogar Die Augen begunnen zu tropfen. Und als ich die deutsche Sprache vernahm, Da ward mir seltsam zumute; Ich meinte nicht anders, als ob das Herz Recht angenehm verblute. Ein kleines Harfenmädchen sang. Sie sang mit wahrem Gefühle Und falscher Stimme, doch ward ich sehr Gerühret von ihrem Spiele. […] Sie sang vom irdischen Jammertal, Von Freuden, die bald zerronnen, Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt Verklärt in ew’gen Wonnen. Sie sang das alte Entsagungslied, Das Eiapopeia vom Himmel, Womit man einlullt, wenn es greint, Das Volk, den großen Lümmel. […] Ein neues Lied, ein besseres Lied, O Freunde, will ich euch dichten! Wir wollen hier auf Erden schon Das Himmelreich errichten. Wir wollen auf Erden glücklich sein, Und wollen nicht mehr darben; Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, Was fleißige Hände erwarben. Es wächst hienieden Brot genug Für alle Menschenkinder, Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, Und Zuckererbsen nicht minder. Ja, Zuckererbsen für jedermann, Sobald die Schoten platzen! Den Himmel überlassen wir Den Engeln und den Spatzen. Erläutern Sie folgende Aspekte des Liedes: ■■ Welche politische Funktion haben für Heine Lieder wie die des (fiktiven) Harfenmäd chens? ■■ Welche religiösen Aussagen kritisiert der Autor? ■■ Wo zeigt sich die Sozialkritik des Autors besonders deutlich, wo wird der Ironiker Heine sichtbar? Kapitel XII Die deutschen Zensoren - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Dummköpfe - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Kapitel XIII 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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