Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

210 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) wüstes Lärmen und sah Margret eilends Tür und Fenster schließen. An einem solchen Tage – keinem Sonntage mehr – sah man sie abends aus dem Hause stürzen, ohne Haube und Halstuch, das Haar wild um den Kopf hängend, sich im Garten neben ein Krautbeet niederwerfen und die Erde mit den Händen aufwühlen, dann ängstlich um sich schauen, rasch ein Bündel Kräuter brechen und damit langsam wieder dem Hause zugehen, aber nicht hinein, sondern in die Scheune. Es hieß, an diesem Tage habe Mergel zuerst Hand an sie gelegt, obwohl das Bekenntnis nie über ihre Lippen kam. Das zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem Sohne, man kann nicht sagen erfreut, denn Margret soll sehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte. Beschreiben Sie den Charakter von Friedrich Mergels Vater und die Situation der beiden Frauen. Die Literaturübersicht – Vormärz Die Literatur des Vormärz: Offene Opposition Die Aufbruchsstimmung von 1830 und das „Junge Deutschland“ Die Juli-Revolution von 1830 in Paris und die in der Fol­ ge auch in Deutschland ausbrechenden Aufstände rei­ ßen die deutschen Autoren aus ihrer politischen Re­ signation: „Das Abzeichen der modernen Literatur ist es […], dass sie ein Kind der Politik, […] ein Kind der Juliusrevolution ist“ , schreibt Georg Herwegh, einer der engagiertesten Dichter des Vormärz. Forderungen nach Pressefreiheit, Abschaffung der Zensur, Emanzi­ pation der Frau, Kritik an der Herrschaft von Adel, Kle­ rus, Ablehnung der Monarchie werden zu Themen der Literatur. Ein Teil dieser Autoren wird unter dem Na­ men „Junges Deutschland“ zusammengefasst. Dazu gehören Heinrich Heine (1797–1856), Ludwig Börne (1786–1837), Georg Herwegh (1817–75). Als radikalster unter ihnen gilt Ludwig Börne. Literatur ist für ihn eine Waffe und „soviel als möglich einem Schwerte gleichzu- machen“ . 1835 wurde über die Autoren des „Jungen Deutschland“ Publikationsverbot verhängt. Die Be­ zeichnung „Vormärz“ bezieht sich auf die Märzrevolu­ tion von 1848. Mit neuen Formen gegen den „kalten“ Goethe Opposition zu Klassik und Romantik lautet das literari­ sche Programm der Literatur des Vormärz. Besonders Goethe gilt der Angriff: „Goethe war kalt, indifferent, er sympathisierte nur mit der Ewigkeit“ , so Herwegh. Als Goethe 1832 starb, wurde sein Tod als Befreiung emp­ funden. Es sei jetzt das „Ende der Kunstperiode“ ge­ kommen, schrieb Heine, nun müsse „die Revolution in die Literatur treten“ . Um von einem möglichst breiten Publikum gelesen zu werden, dominiert Prosa statt ge­ bundener Rede. Rasch zu lesende Gattungen wie Skiz­ ze, Brief, Flugblatt sind beliebte Ausdrucksformen. Auch die Lyrik bekommt zunehmend politischen In­ halt. Einen neuen Aspekt erhält die seit der Aufklärung beliebte Reiseliteratur. Sie dient weniger der Schilde­ rung dessen, was ein Autor auf Reisen erlebt hat, son­ dern der Kritik der Epoche. Beispiele für diese literari­ sche Kritik und Politisierung sind Heinrich Heines Ge­ dichte aus dem „Buch der Lieder“ , seine „Reisebilder“ und „Deutschland. Ein Wintermärchen“ (1) . Anderer­ seits setzt die Literatur des Vormärz auf das Drama, das durch die Bühnendarstellung oft mehr beeinflus­ sen kann als bloß Gelesenes. Georg Büchner (1813–37) schreibt mit „Woyzeck“ die eindringlichste Darstellung des unterdrückten Menschen (2) . Amerika tritt in die Literatur Die Literatur des Vormärz nimmt auch ein ganz neues Thema auf: die Auseinandersetzung mit den USA. Die Autoren beschreiben Amerika einerseits als Gegenbild zu Deutschland und Österreich, setzen sich aber auch kritisch mit ihm auseinander und eröffnen eine bis heute andauernde „USA-Kontroverse“. Auch der be­ deutendste österreichische Lyriker der Epoche, Niko- laus Lenau (1802–50), beteiligt sich daran. Gerade er 38 40 42 44 46 48 50 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

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