Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

21 Das Fundament Der dominante Ritterstand Wer ist ein Ritter? Im 12. Jahrhundert taucht der Begriff des Ritters in vie­ len europäischen Sprachen auf: als chevalier, cavalie­ re, caballero, knight und eben Ritter. Er bezeichnet den gerüsteten Reiter, der als Kerntruppe die Stärke eines Heeres ausmacht. In einer Zeit, in der kriegerische Konfliktlösungen verbreitet und anerkannt sind, gibt ihm das sein Selbstbewusstsein. Pferd und Waffen, Schwert, Schild und Lanze hatte der Ritter selbst zu stellen. Seine Lebensgrundlage war Landbesitz; ent­ weder als Eigentum oder als Lehen, also einem zur Nutzung überlassenen Besitztum. Dieses sollte den Lebensunterhalt und die „Rüstung“ des Belehnten sicherstellen. Wie soll ein Ritter leben? Der Ritter ist einem genau definierten Verhaltens­ kodex, den „höfischen Tugenden“, verpflichtet. Der Hof, eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die ei­ nen Fürsten umgeben, um ihn zu beraten, zu versor­ gen, auch zu unterhalten, ist der Ausbildungsort für die feine höfische Lebensart der Ritter, die „ hö- veschheit “. Sie steht im Gegensatz zur „ dörperheit “, der vom Ritter so gesehenen Tölpelhaftigkeit und den ro­ hen Sitten der ungebildeten Bäuerinnen und Bauern. Die „ höveschheit “ ist ausgerichtet auf zwei Brennpunk­ te: den Fürsten als Herrn, dem zu dienen höchste „ êre “ war, und die adelige Dame, der man in respektvoller „ minne “ begegnen sollte. Was ist „höveschheit“? Eine Zusammmenfassung des höfisch-ritterlichen Tu­ gendsystems gibt das Werk des Geistlichen Thomasîn von Zerclære. Es wurde um 1216 abgeschlossen und trägt den Titel „Der wälsche Gast“. Der Autor zählt die Tugenden auf, mit der sich ein „ hövescher “ Mann wie mit einer Rüstung und Waffen ausstatten soll: „ êre “, „ muot “, „ milte “ (Freigebigkeit gegenüber den Armen), „ triuwe “ (Ergebenheit dem Lehensherrn gegenüber, Treue gegenüber der Frau, Opferbereitschaft gegen­ über Freunden und Anvertrauten), „ stætekeit “ (Bestän­ digkeit), „ mâze “ (Maßhalten, Verzicht auf Verschwen­ dung, Zorn, Gier), „ zuht “ (Höflichkeit, Anstand, feine Sitte). Nicht verzichtbar sind auch „ sin “ (Verstand, Ver­ nunft) und „ bescheidenheit “ (Urteilskraft), „ reht “ (Ge­ rechtigkeit), „ geloube “ (Glaube), „ geding “ (Hoffnung), „ vrümekeit “ (Tapferkeit), „ kiusche “ (Keuschheit), „ die- muot “ (Demut). Daraus soll sich ein Leben voll „ hôhem muot “ – seelischer Hochgestimmtheit – „ fröide “ und „ sælde “ – Glück – ergeben, das zum „ obersten guot “ führt, dem ewigen Leben in Gott. Diskutieren Sie, welche Begriffe aus dem ritter­ lichen Tugendsystem Ihnen auch heute wichtig erscheinen und welche Sie eventuell für „überholt“ halten. Aufgabe Um 1170  Beginn des Minnesangs, in den 1180er-Jahren erstes höfisch-ritterliches Epos: Hartmann von Aue: „Erec“. 1250  Tod des Kaisers Friedrich II., Ausklingen der ritterlich-höfisch geprägten Epik und Lyrik. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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