Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
206 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) Schatten sind des Lebens Güter, Schatten seiner Freuden Schar, Schatten Worte, Wünsche, Taten; Die Gedanken nur sind wahr. Eines nur ist Glück hienieden, Eins, des Innern stiller Frieden Und die schuldbefreite Brust. Und die Größe ist gefährlich, Und der Ruhm ein leeres Spiel. Was er gibt, sind nichtge Schatten, Was er nimmt, es ist so viel. Analysieren Sie, welche „Dinge“ des Lebens Grillparzer einander gegenüberstellt. Medeas Rache – eine Erfindung der Männer Bei Grillparzer tötet Medea ihre beiden Söhne. Der Mord ist für sie zugleich Rache und letztes Mittel, um auf ihre Lage als gedemütigte Frau aufmerksam zu machen. Auffällig ist, dass die Ermordung der Kinder durch Medea erst von Euripides erdacht worden ist. Die deutsche Autorin Helga M. Novak hat den Manipulationsvorwurf an Euripides in dem Gedicht „Brief an Medea“ formuliert. Helga Novak: Brief an Medea (1977) Medea du Schöne dreh dich nicht um vierzig Talente 1 hat er dafür erhalten von der Stadt Korinth der Lohnschreiber der dass er dir den Kindermord unterjubelt ich rede von Euripides verstehst du seitdem jagen sie dich durch unsere Literaturen als Mörderin Furie Ungeheuer [...] aber ich sehe einfach nicht ein dass eine schuldbeladene Gemeinde ihre blutigen Hände an deinen Röcken abwischt keine Angst wir machen das noch publik dass die Korinther selber deine zehn Gören gesteinigt haben (wie sie schon immer mit Zahlen umgegangen sind) und das mitten in Heras Tempel Gewalt von oben hat keine Scham […] Erklären Sie, welche Thesen des Gedichtes den Medea-Mythos, wie er bei Euripides oder Grillparzer gestaltet wird, völlig umdrehen. 4 „Dass jeder geachtet, geehrt neben dem anderen bestehe …“ Adalbert Stifter: „Bunte Steine“ (1853) Gegen einen alten Irrtum: Stifter ist kein Idylliker Über Generationen hinweg wurde Stifter zum Dichter des Idyllischen abgestempelt. Erst im 20. Jahrhundert sahen einige wenige den Autor und sein Werk anders. Franz Kafka nannte Stifter seinen „dicken Bruder“ . Thomas Mann bezeichnete ihn als einen der „hinter- gründigsten, heimlich kühnsten und unheimlich pa- ckendsten Erzähler der Weltliteratur, kritisch viel zu we- nig ergründet“ . Der Philosoph Walter Benjamin nannte ihn einen Autor, „hinter dessen wenig auffälliger Au- ßenseite sich ein großes moralisches und großes ästhe- tisches Problem verbergen“ . Und der Österreicher Alois Brandstetter hält ihn für einen „Propheten der Ent- schleunigung“ . Die falsche Degradierung des Autors 2 4 6 8 10 Aufgabe 2 4 6 1 Talente: antike Geldeinheit von hohem Wert 8 10 12 14 16 Aufgabe Porträtfoto Adalbert Stifter, 19. Jh. Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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