Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

205 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) son selbst würde er weiter Zuflucht bieten. Und Jason, für den Medea alles geopfert hat, ist feig. Er findet Gefallen an Kreusa, möchte in Korinth Karriere machen. Er passt sich an, distanziert sich von Medea, wirft ihr ihre Her­ kunft vor und ihre Zauberkraft, die ihn einst gerettet hat: Brau nicht aus Kräutern Säfte, Schlummertrank, Sprich nicht zum Mond, stör nicht die Toten, Man hasst das hier und ich – ich hass es auch! In Kolchis sind wir nicht, in Griechenland, Nicht unter Ungeheuern, unter Menschen! Jason: angepasst und gewalttätig Je nachdem, wie es ihm nützt, ist Jason sowohl zur An­ passung als auch zur brutalen Gewalt fähig. Kreusa gegenüber beschreibt Medea die Gewaltbereitschaft ihres Mannes: Du kennst ihn nicht, ich aber kenn ihn ganz. Nur er ist da, er in der weiten Welt Und alles andre nichts als Stoff zu Taten. Voll Selbstheit […] Spielt er mit seinem und der andern Glück. Lockts ihn nach Ruhm, so schlägt er einen tot, Will er ein Weib, so holt er eine sich, Was auch darüber bricht, was kümmerts ihn! Er tut nur recht, doch recht ist, was er will. Du kennst ihn nicht, ich aber kenn ihn ganz Und denk ich an die Dinge, die geschehn, Ich könnt ihn sterben sehn und lachen drob. Das Schachern um die Kinder Medea sieht ihre Chancenlosigkeit, sie will fort aus Ko­ rinth, doch mit ihren Kindern. Das Schachern um ihr letztes „Eigentum“ beginnt. Jason will ihr einen der beiden Söhne überlassen, Medea möchte beide mit­ nehmen. Der Kompromiss: Die Kinder sollen wählen können, wer mit wem geht. Genau in der Mitte des Stücks lässt Grillparzer die Kinder vor Jason, Medea, Kreusa und Kreon führen: Medea: Die Kinder! Meine Kinder! Ja, sie sinds! Das Einzge, was mir bleibt auf dieser Erde. Ihr Götter, […] lasst sie mir beide, beide! Dann will ich gehn und eure Güte preisen, […] Ihr Kinder seht, man schickt die Mutter fort, Weit über Meer und Land, wer weiß wohin? Die gütgen Menschen, euer Vater aber Und der gerechte, gute König da, Sie haben ihr erlaubt, von ihren Kindern, Der Mutter von den Kindern, eines, eins – Ihr hohen Götter, hört ihrs? eines nur! – Mit sich zu nehmen auf die lange Fahrt. Wer nun von beiden mich am meisten liebt, Der komm zu mir, denn beide dürft ihr nicht. Der andre muss zurück beim Vater bleiben [...] Hört ihr? – Was zögert ihr? König: Sie wollen nicht! […] König: Du siehst, Medea, nun, Die Kinder wollen nicht, und also geh! Medea: Sie wollen nicht? Die Kinder die Mutter    nicht? Es ist nicht wahr, unmöglich! – Äson, mein Ältester, mein Liebling! Sieh, deine Mutter ruft dir, komm zu ihr! Ich will nicht mehr rau sein und hart, Du sollst mein Kostbarstes sein, mein einzigs    Gut, Höre die Mutter! Komm! – Er wendet sich ab! Er kommt nicht! Undankbarer! Ebenbild des Vaters! Ihm ähnlich in den falschen Zügen Und mir verhasst, wie er! Bleib zurück, ich kenne dich nicht! – Aber du, Absyrtus, Schmerzenssohn, […] Sieh, deine Mutter liegt hier knieend für mich und sie! […] Jason: Sieh! sie hören nicht! Medea: Kinder! König (zu Kreusa): Führ sie ins Haus zurück, Nicht hassen sollen sie, die sie gebar. ( Kreusa mit den Kindern zum Abgang gewendet) Medea: Sie fliehen, meine Kinder fliehn vor mir! [...] Medea: Meine Kinder! Kinder! Dass die Mutter eine „Barbarin“ ist, haben die Kinder in Korinth von allen Seiten hören müssen. Sie fliehen Medea, um ihre Herkunft abzulegen. Die Integration in Korinth ist ihnen lieber, als mit der Mutter ausgesto­ ßen zu sein. Von Medeas Schlusssätzen zu Grillparzers Welt- anschauung Zu Jason gewandt, spricht Medea ihre Schlusssätze: „Was ist der Erde Glück? – Ein Schatten! / Was ist der Erde Ruhm? – Ein Traum!“ Man könnte diese Sätze ge­ radezu als Motto Grillparzers ansehen. In seinem Dra­ ma „Der Traum ein Leben“ nimmt Grillparzer Medeas Schlusssätze variiert noch einmal auf. 2 4 2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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