Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

201 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) Der Leseraum 1 „Was macht das Unglück in der Welt? Wenn sich die Menschen als bloße Konkurrenten sehen!“ Ferdinand Raimund: „Der Verschwender“ (1834) Zwei Vorgänger des „Verschwenders“ In Raimunds Dramen entsteht menschliches Leid oft durch die Jagd nach Besitz. Er macht die Menschen hart, Hass und Neid begleiten die Gier nach Geld. Um seine Personen zu dieser Einsicht kommen zu lassen, setzt Raimund ganze Feenversammlungen und Him­ mel voller Geister ein, wie in „Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär“ (1826) und „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ (1828). Dieses Drama zeigt besonders deutlich die Entfremdung, un­ ter der die Menschen leiden, wenn sie sich als Konkur­ renten um das große (materielle) Glück sehen. Doch das größte Vergehen ist die Entfremdung von sich selbst, der Verlust an Selbsterkenntnis. Wenn der misstrauische Menschenfeind Rappelkopf meint, „ich bin ein Mensch, so süß wie Zuckerkandel 1 ist, […] ich trage keine Schuld“ , so muss er sich vorwerfen lassen: „Die größte, denn du kennst dich selber nicht.“ Der Verschwender: eine Märchenhandlung Ein reicher Adeliger namens Flottwell wird von der Fee Cheristane mit Reichtum überschüttet. Er verschwen­ det aber das Geld, verarmt und muss auswandern. Sein geldgieriger Diener Wolf bringt das Schloss Flottwells auf dubiose Weise an sich, er wird zum Schlossherrn und verschachert Bauaufträge gegen hohe Provisionen. Flottwells ehemaliger zweiter Diener Valentin ist ehrlich und tüchtig und hat sich mit seiner Frau Rosa als Tisch­ lermeister eine bescheidene, aber sichere Existenz auf­ gebaut. Er nimmt den zurückgekehrten verarmten Flottwell bei sich auf. Schließlich gibt die Fee Flottwell den verschwendeten Reichtum wieder zurück. Die Mahnung des Hobellieds Im „Hobellied“ erhält Raimunds Kritik am Jagen nach materiellen Dingen ihren berühmtesten Ausdruck. Der Autor platziert seine Kritik dramaturgisch gekonnt in den letzten Akt. Valentin, in bürgerlicher Tracht als Tischlermeister, einen Hobel im Sack, kommt trillernd […]: Da streiten sich die Leut herum Oft um den Wert des Glücks, Der eine heißt den andern dumm, Am End weiß keiner nix. Da ist der allerärmste Mann Dem andern viel zu reich. Das Schicksal setzt den Hobel an Und hobelt s’ beide gleich. Die Jugend will halt stets mit Gwalt In allem glücklich sein, Doch wird man nur ein bissel alt, Da find man sich schon drein. Oft zankt mein Weib mit mir, o Graus! Das bringt mich nicht in Wut. Da klopf ich meinen Hobel aus Und denk, du brummst mir gut. Zeigt sich der Tod einst mit Verlaub Und zupft mich: Brüderl, kumm! Da stell ich mich im Anfang taub Und schau mich gar nicht um. Doch sagt er: Lieber Valentin! Mach keine Umständ! Geh! Da leg ich meinen Hobel hin Und sag der Welt Adje. Untersuchen Sie das „Hobellied“ auf folgende Aspekte: –– Welchen in der Gesellschaft geltenden Werten erteilt Valentin eine Absage? –– Wie beeinflussen diese Werte seiner Ansicht nach die menschlichen Beziehungen? –– Was bedeutet für diese Gesellschaft „Glück“? 1 Kandiszucker 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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