Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

199 Biedermeier/Vormärz (1820–1848) Die Literaturübersicht – Biedermeier Das Biedermeier: Verhaltene Kritik „Herr Biedermeier“ – eine Witzfigur Die Reaktionen der Dichterinnen und Dichter auf die politischen und ökonomischen Veränderungen der Epoche waren äußerst unterschiedlich. Manche äu­ ßerten Kritik und riefen zur Revolution auf, andere neigten zum Rückzug aus der Öffentlichkeit und such­ ten Harmonie im Privaten. Der in satirischer Absicht geprägte Begriff „Biedermeier“ als Bezeichnung für diese unpolitische, sich abkapselnde Haltung wurde ab 1848 verwendet. Er entstand aus der Kombination des Namens zweier Spottfiguren der Zeit, „Bieder­ mann“ und „Bummelmeier“, zu „Gottlieb Biedermai­ er“ – später geschrieben „Biedermeier“. Die spätere neutrale und positive Bewertung des Begriffs ab dem 20. Jahrhundert geht von der Wertschätzung des Kunsthandwerks, des Mobiliars, der Malerei und der Musik der Epoche aus. Die Dichter des Biedermeier und die Revolution Im Jahr 1846 veröffentlicht der revolutionär gesinnte Autor Ludwig Pfau (1821–94) folgende Satire auf die Bürger seiner Zeit: Herr Biedermeier, Mitglied der „besitzenden und gebildeten Klasse“ Schau, dort spaziert Herr Biedermeier, Und seine Frau, den Sohn am Arm; Sein Tritt ist sachte wie auf Eier, Sein Wahlspruch: Weder kalt noch warm. Das ist ein Bürger hochgeachtet, Der geistlich spricht und weltlich trachtet; Er wohnt in jenem schönen Haus Und – leiht sein Geld auf Wucher 1 aus. Regierlich stimmt er bei den Wahlen, Denn er missbilligt allen Streit; Obwohl kein Freund vom Steuerzahlen, Verehrt er sehr die Obrigkeit. Aufs Rathaus und vor Amt gerufen, Zieht er den Hut schon auf den Stufen; Dann aber geht er stolz nach Haus Und – leiht sein Geld auf Wucher aus. Am Sonntag in der Kirche fehlen, Das wäre gegen Christenpflicht; Da holt er Labung seiner Seelen – Und schlummert, wenn der Pfarrer spricht. Das führt ihn lieblich bis zum Segen, Den nimmt der Wackre fromm entgegen. Dann geht er ganz erbaut nach Haus Und – leiht sein Geld auf Wucher aus. ■■ Beschreiben Sie, welches Verhalten und welche Widersprüche der Autor „Herrn Biedermeier“ vorwirft. ■■ Erläutern Sie dazu besonders den Schluss­ refrain der Strophen. Doch was Pfau hier als Charakter des „Biedermeier­ bürgers“ anklagt, gilt absolut nicht für die Dichterin­ nen und Dichter. Sie sind keine Prediger idyllischen Rückzugs, als die sie manchmal oberflächlich gesehen werden. Zwei oft als „typische“ Biedermeierdichter etikettierte Autoren wie Nestroy und Lenau sind einer Revolution nicht abgeneigt, Lenau fordert sie gerade­ zu. Raimund, Grillparzer, Stifter sind offen für Verände­ rungen, lehnen Revolutionen allerdings ab. Stifter be­ gründet dies so: 2 4 6 8 10 12 14 1 hohe Zinsen 16 18 20 22 24 Aufgabe Im Stil des Biedermeier eingerichtetes Schlafzimmer, Hofmobiliendepot Wien Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus - Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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