Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]

184 Romantik (1795–1835) Der Fokus Die Frauen der Romantik: als Gastgeberinnen beliebt, als Autorinnen meist ignoriert „Schreibende Frauen verletzen Sitte und Würde“ Sophie La Roches „Geschichte des Fräuleins von Stern­ heim“, der erste „Frauenroman“ (1771), war ein Anstoß für immer mehr Frauen, selbst zu schreiben. Der ex­ pandierende, auf „Lesestoff“ wartende Buchmarkt be­ günstigte dabei die Veröffentlichungen. Bei den männlichen Literaturgrößen der Zeit trafen die schrei­ benden Frauen jedoch auf wenig Gegenliebe. Beson­ ders scharf ist das Urteil Jacob Grimms in seiner Kritik eines 1822 erschienenen Lexikons „Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts“, das 300 Autorinnen darstellt: Warum schiene die Poesie etwas anderes, als ein Amt und Geschäft der Männer? Die ganze Geschichte lehrt es uns so. Durch öffentliches Vortreten und Lautwerden verletzt das Weib seine angeborne Sitte und Würde. Wahre Dichtkunst lässt sich nicht abfinden, sie fordert nicht das Geringe, vielmehr das Hohe und Reine, sie fordert, dass der Dichter frei aus ungehemmter Brust singe. Wie kann eine Frau das Ereignis einer Liebe, eines Kusses vor aller Welt erzählen? […] Hrn. von Schindels Sammlung wird ungefähr dreihundert Dichterinnen aufstellen […]. Wenn sich nun in dem Haufen von Büchern und Gedichten, aus diesen weiblichen Händen hervorge- gangen, kein einziges wirklich originales, kein mit dem Genius lebendiger Poesie gestempeltes vorfin- det, […] was soll man daraus schließen? […] Rez. 1 hat sich erschreckt vor der bedeutenden Zahl unglücklicher, gestörter und geschiedener Ehen, welche die vorliegenden Lebensgeschichten deut- scher Dichterinnen ergeben: hier spielt kein Zufall; die Frau, welche einmal aus dem Kreise natürlicher Bestimmung weicht, gerät mit sich selbst in Zwie- spalt, sie kann nicht mehr leisten und ertragen, was ihr gebührt. ■■ Analysieren Sie, welche Mann-Frau-Klischees Grimm aufstellt, erläutern Sie, was seiner Ansicht nach dichtende Männer können und Frauen nicht und wie er die steigende Zahl von Dichterinnen beurteilt. ■■ Erklären Sie, wie die von Grimm erwartete Antwort auf die rhetorische Frage „… was soll man daraus schließen?“ lauten müsste. ■■ Beurteilen Sie Grimms Kritik an den „schrei­ benden Frauen“. Ohne die Salons der Frauen kein kritisches Publikum Das Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts ist das Zentrum der literarischen Salons. In den Häusern von Frauen wie Mademoiselle de Scudéry, Madame de Sé­ vigné oder, im 19. Jahrhundert, im Haus der Madame de Staël wurden Literatur und Philosophie vorgestellt und diskutiert. Die Bedeutung dieser Salons für die Verbreitung der Literatur ist nicht zu unterschätzen. Die Dichtung tritt aus den Kreisen der Gelehrten und Fürstenhöfe heraus und erreicht das Bürgertum. Die ersten Salons in Deutschland entstehen in Berlin, wo sich ein aufgeklärtes Bürgertum entwickelt hatte und erste Anzeichen einer Frauenemanzipation deutlich wurden. Bedeutende romantische Salons hielten Hen­ riette Herz (1764–1847) und Rahel Levin (= Rahel Varn­ hagen van Ense; 1771–1833). Bettina von Arnims Engagement, die Welt zu „romantisieren“ Persönlich ist Bettina von Arnim (1785–1859) vielfach in die literarische Szene integriert. Sie ist Enkelin von Sophie La Roche, Tochter der von Goethe – siehe „Werther“ – verehrten Maximiliane La Roche, Schwester von Clemens Brentano und Gattin von Achim von Ar­ 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 1 Rezensent: Kritiker (= Jacob Grimm) Aufgabe Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen­ fassung Literatur­ übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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