Literaturräume, Schulbuch [Prüfauflage]
176 Romantik (1795–1835) mantik, „das Thema vom verlorenen Paradies, die Klage um seinen Verlust, die Sehnsucht nach seiner Regene- ration“ . Auch das zweite hier zitierte Gedicht Brenta nos enthält diese Aspekte, ist aber noch stärker von der Sprache als vom Inhalt bestimmt. Was reif in diesen Zeilen steht, Was lächelnd winkt und sinnend fleht, Das soll kein Kind betrüben, Die Einfalt hat es ausgesäet, Die Schwermut hat hindurchgeweht Die Sehnsucht hat’s getrieben; Und ist das Feld einst abgemäht, Die Armut durch die Stoppeln geht, Sucht Ähren, die geblieben, Sucht Lieb’, die für sie untergeht, Sucht Lieb’, die mit ihr aufersteht, Sucht Lieb’, die sie kann lieben, Und hat sie einsam und verschmäht Die Nacht durch dankend in Gebet Die Körner ausgerieben, Liest sie, als früh der Hahn gekräht, Was Lieb’ erhielt, was Leid verweht, Ans Feldkreuz angeschrieben, O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb’, Leid und Zeit und Ewigkeit! Hermetische Poesie Brentanos später Lyrik geht es oft nicht mehr um un mittelbare Verständlichkeit. Gerade zu „Was reif in die sen Zeilen steht“ erklärten selbst Brentanos Freunde, den Text nicht zu „verstehen“. Aber auch das ist „roman tisches Programm“. Die sprachlichen Bilder nehmen auf Anschaulichkeit wenig Rücksicht. Sie können nur vom Autor aufgelöst werden. Auf eine nachvollziehbare Aus sage über die Wirklichkeit wird verzichtet, das Gedicht selbst will durch eine neue Sprache eine autonome Wirklichkeit erschaffen. Brentano ist damit ein Vorläu fer der „hermetischen Poesie“ des 20. Jahrhunderts. „Des Knaben Wunderhorn“ Brentanos und Arnims Sammlung „Alter Deutscher Lieder“ vereinigt fast 700 teils anonyme, teils von Dich tern des 16. und 17. Jahrhunderts stammende Lieder und Gedichte. Die schon zu ihrer Zeit überaus populä re Sammlung von Wander-, Liebes-, Kinder- und Trinkliedern sollte an die alten Zeiten erinnern, die für die Romantiker noch nicht von politischen und gesell schaftlichen Spaltungen geprägt waren, und gleichzei tig das nationale Selbstwertgefühl Deutschlands ge gen Napoleon stärken. ■■ Lesen Sie in der Folge ein „Spinnerlied“ aus dieser Sammlung und vergleichen Sie die Stimmung des Textes mit dem auf Seite 175 zitierten Gedicht Brentanos. ■■ Beschreiben Sie den „Sinneswandel“ der Spinnerin aus „Des Knaben Wunderhorn“. Spinn, spinn, meine liebe Tochter, Ich kauf dir ein paar Schuh. Ja, ja meine liebe Mutter, Auch Schnallen dazu; Kann wahrlich nicht spinnen, Von wegen meinem Finger, Meine Finger tun weh. Spinn, spinn, meine liebe Tochter, Ich kauf dir ein paar Strümpf. Ja, ja meine liebe Mutter, Schön Zwicklen darin; Kann wahrlich nicht spinnen, Von wegen meinem Finger, Mein Finger tut weh. Spinn, spinn, meine liebe Tochter, Ich kauf dir einen Mann. Ja, ja meine liebe Mutter, Der steht mir wohl an; Kann wahrlich gut spinnen, Von all meinen Fingern, Tut keiner mir weh. Caspar David Friedrich, Mann und Frau in Betrachtung des Mondes, Öl auf Leinwand, 1830/35, Alte Nationalgalerie Berlin 2 4 6 8 10 12 14 6 18 20 Aufgabe 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Überblick Fundament Leseraum Maturaraum Zusammen fassung Literatur übersicht Grenzenlos Fokus Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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